17. Juni 1995. Letzter Spieltag in der Fußball-Bundesliga. Die Tabellenkonstellation: Werder Bremen lag einen Punkt vor dem BVB. Nur ein Sieg des BVB gegen den HSV bei gleichzeitiger Niederlage der Bremer bei Bayern München würde bedeuten, dass der BVB nach 32 Jahren wieder einmal Deutscher Fußballmeister werden würde.

Dieser Text ist ein eingereichter Beitrag zum 50. Jubiläums des Westfalenstadions.

Seit Ende der 70er Jahre bin ich Fan und seit 1991 Mitglied beim BVB. Karten für Spiele im Westfalenstadion zu bekommen, war damals für jemanden, der 150 km von Dortmund entfernt wohnt, nicht so einfach. Meistens gab es nur die Möglichkeit über eine telefonische Bestellung bei den damaligen Vorverkaufsstellen an Karten zu gelangen, oder selbst nach Dortmund zu fahren, und zu versuchen, Karten dort vor Ort zu bekommen. Natürlich wollte ich mir dieses Spiel gerne im Westfalenstadion anschauen. Alle Versuche an Karten zu kommen scheiterten jedoch. Ich spielte also mit dem Gedanken, nach Dortmund zu fahren und darauf zu hoffen, dass jemand noch eine Karte übrig hatte, die ich dann vor dem Stadion kaufen könnte. Meine Frau war zu diesem Zeitpunkt mit unserer Tochter (seit einigen Jahren selbst BVB-Mitglied) hochschwanger und ihr wollte ich einen Stadionbesuch in diesem Zustand nicht zumuten. Ich überlegte also laut hin und her was ich machen sollte. Als sie schließlich am Samstagmorgen sagte:“ Mensch du willst doch so gerne das Spiel sehen! Fahr doch alleine hin und versuch ins Stadion zu kommen!“ Dies tat ich dann auch. Ich fuhr relativ früh los. Auf der Fahrt nach Dortmund hatte ich das Radio eingeschaltet. Als ich kurz vor Dortmund war, wurde eine Liveübertragung vom Friedensplatz gesendet. Dort wurde Flemming Povlsen verabschiedet. Als das Lied „Niemals geht man so ganz“ eingespielt wurde, bekam ich zum ersten Mal Gänsehaut an diesem Tag. Auch ein paar Tränen konnte ich nicht verdrücken. Als ich am Stadion ankam, waren tatsächlich Leute da, die Karten verkaufen wollten. Das Wenigste was geboten wurde waren meiner Erinnerung nach 250 DM für eine Karte. Das war ich aber nicht bereit zu bezahlen. Ich dachte mir, je näher das Spiel rückt, desto billiger werden die Karten, denn die Leute wollen sie ja auch loswerden. Dies war jedoch ein Trugschluss. Die Preise stiegen ins unermessliche. Um 14:00 Uhr öffneten die Stadion Tore und ich dachte mir, dann versuch es doch mit deinem Polizeidienstausweis. Als hessischer Polizeibeamter hatte man zu diesem Zeitpunkt freien Eintritt in den Stehbereich von hessischen Stadien. Also stellte ich mich für die Südtribüne an und gelangte so auch ins Stadion. Ich stand also auf der „Süd“ und freute mich wie ein Kind auf das Spiel. Es herrschte leichter Nieselregen, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Es war einfach klasse. Wie das Spiel ausging weiß jeder. Spielstände aus München wurden nicht durchgesagt. Ich hatte zwar einen „Walkman“ mit dem ich über Radio den Spielstand in München erfahren wollte, verstand aber kein Wort. Trotzdem kam der Spielstand aus München und die damit verbundene Niederlage der Bremer irgendwie auf den Rängen an und die Stimmung stieg bis zum Siedepunkt. Als das Spiel zu Ende war, fielen sich wildfremde Menschen in die Arme. Hunderte stürmten auf den Platz. Es war unglaublich. Das Westfalenstadion fasste zu diesem Zeitpunkt nur 42.600 Zuschauer (Umbau der Nordtribüne), aber die Stimmung war, als wären es wie heute über 80.000 gewesen. Auf der Heimfahrt durch Dortmund standen Tausende auf den Straßen und jubelten, tanzten und schwenkten gelb-schwarze Fahnen. Es folgten viele schöne und wenige traurige Besuche im Westfalenstadion - zumeist mit meiner Familie. Doch dieses Ereignis ist kaum noch zu toppen.

Caspar