Mein Leben spielte sich, soweit die Erinnerungen und Fotos es zeigen, auf einem Fußballplatz ab. Gerade mal sitzen können und schon mitten drin. Selber habe ich nie gespielt, aber wir waren als Kinder mit unserem Vater dabei. Wie ich älter wurde, interessierte mich nicht nur unser Dorfverein, sondern auch die größeren. 

Meine Eltern und deren Freunde trafen sich zu jedem Spiel und wir Kinder wollten mitschauen. Was haben wir bei den Spielen des BVB mitgefiebert. Als wir endlich alt genug waren ging es ins Westfalenstadion. Was für ein Erlebnis. Meine Schwester und ich bekamen immer öfter eine Karte. Damals noch auf der Westtribüne. Und unser Traum von einer eigenen Dauerkarte reifte in uns. Was haben wir alles in Kauf genommen, um an Karten zu kommen. Wie viele Stunden wir vor dem Fanshop standen. Bei Wind und Wetter. Ich werde nie vergessen, wie wir patschnass und total durchgefroren nach Stundenlangen warten dann doch keine Karten mehr für das Spiel gegen die Bauern bekamen. Wir waren so enttäuscht. 2003 war es endlich soweit. Wir fuhren am 01.06.2003 nach Dortmund. Morgens um 5 ging es los. Ankunft in Dortmund 6 Uhr. Der offizielle Verkauf startete. In Dortmund angekommen wurden wir unsicher. Es war noch keine Menschen Seele da. Hatten wir uns im Tag geirrt? Wo waren die Menschenmassen wie beim Ticketkauf? Wir blieben im Auto und warteten. Um halb neun öffnete der Fanshop. Wir gingen rein. 2 Personen vor uns.  Keine lange Schlange wie sonst bei den Tickets. Wir bekamen Angst, dass alles umsonst war. Eine nette Dame fragte uns wie sie behilflich sein kann. Wir schluckten, nun kam die Stunde der Wahrheit. Wir antworteten, dass wir gerne eine Dauerkarte haben möchten. Sie lachte und fragte welcher Block es denn sein soll. Wie, können wir uns das aussuchen? Wo wäre denn was frei? Unsere Herzen klopften schneller. Nach gefühlten Stunden kamen wir wieder raus. Wir konnten es nicht glauben. Wir waren stolze Besitzer von 2 Dauerkarten für die Süd und dann auch noch Block 13. Seit diesem Tag fuhren wir zu jedem Heimspiel. Alle anderen Termine waren egal und wurden getauscht. Wir fingen an auch Auswärtsfahrten mitzumachen. Ein noch intensiveres Erlebnis. Wie so eine Stimmung entstehen kann ist mir bis heute schleierhaft. Was haben wir in diesen Jahren für Feste gefeiert. Man könnte ein ganzes Buch darüberschreiben. Wahrscheinlich auch mehrere. Leute kamen und gingen, aber wir blieben, feuerten an, weinten, lachten, schimpften, pfiffen und vertrugen uns hinterher wieder. Wenn man mich fragt, welches war dieser eine Moment. Ich kann es nicht sagen. Es gab so unfassbar viele. Diese Aufzuzählen würde Tausende Seiten füllen.

2018 kam ein Schicksalsschlag. Ich erfuhr, dass ich an Brustkrebs erkrankt war. Der Kopf arbeitet auf Hochtouren. Wie geht es weiter, wie wird es ausgehen, was ist mit Familie, Job, Freunde? Ist mein Leben jetzt vorbei? Ich ging positiv an die Geschichte ran. Erstmal alles auf sich zukommen lassen und schauen wie es wird. Da war er mein Sauerländer Dickkopf, frei nach dem Motto Unkraut vergeht nicht. Ich habe noch viel vor also kämpfte ich. Was mir half? Mein zweites Wohnzimmer, mein zweites Zuhause, die Südtribüne, und natürlich meine Familie.  Jede Woche kämpfte ich für diese paar Stunden Ablenkung, Vergessen und Glückseligkeit. Ich konnte kaum laufen, hatte kaum Kraft die Treppen hoch zu kommen. Und wieder war sie da. Meine zweite Familie. Nach so vielen Jahren kennt man sich und hilft sich. Ich hatte immer stützende Hände die mir gereicht wurden. Ich war einfach glücklich. Und heute, mit ein wenig Abstand, sage ich es war das, was mir die Kraft zum kämpfen gab. Die Jungs zu sehen, sie anzufeuern, dabei zu sein. Auch bei den ganzen auf und ab´s. Und wieder dachte ich, dass ist es das Leben halt. Wie gut konnte ich nachvollziehen wie sich Haller gefühlt hatte. Umso schöner war sein Comeback. Diesmal waren es Tränen vor lauter Freude. Und wieder zeigt sich, dass wir eine große Familie sind. Leider hat es nicht zum Titel gereicht, aber was sind Titel wert die keine Geschichte haben? Und trotzdem oder gerade deswegen kommen wir nächste Saison wieder zu jedem Spiel, und danach das Jahr, und immer so weiter. Bis zu meinem letzten Atemzug oder wenn der Verstand nicht mehr existiert werde ich weiterhin alles für meinen BVB geben. Ein ganzes Leben halt. Und irgendwann wird auch wieder ein Titel gefeiert werden können.

Daher möchte ich mich bei allen bedanken, Mannschaft, Trainerstab, Verein, Fans, usw, jeder kleine Mitarbeiter, Mensch und alle die uns unser Leben ein klein wenig schöner machen. Ohne Euch kein wir. Wir sehen uns im geilsten Stadion der Welt wieder! Und wir werden hungriger, positiver und lauter sein wie nie zuvor.

In diesem Sinne auf die nächsten mindestens 50 Jahre!

Heja BVB

Dieser Text ist ein eingereichter Beitrag zum 50. Jubiläums des Westfalenstadions.