Mein Vater hat mich zum BVB gebracht. Er war im Rat der Stadt Dortmund und hatte dadurch die Möglichkeit, Spiele im Westfalenstadion live zu sehen.Die Ehrenkarten dafür bekam Papa kostenlos.

Dieser Text ist ein eingereichter Beitrag zum 50. Jubiläums des Westfalenstadions.

Ich ging noch zur Schule und wir beide hörten oft zusammen samstags am Nachmittag die Bundesligakonferenz im Radio. Wir freuten uns, wenn die Schwarzgelben gewonnen hatten. Ins Stadion zu gehen, war was ganz Besonderes und mein Vater bot mir auch einmal seine Karte an. Mit einem selbst gestrickten Schal von Oma und Stulpen machte ich als 14jährige mit Bus und Bahn auf den Weg. Mein Sitzplatz war dann auf der Westtribüne im Block G/H (heute 26) an der Mittellinie. Am Eingang zeigte ich das Ticket vor und bezahlte den sogenannten Sportgroschen. Was dann passierte, war schon eine ungewöhnliche Geschichte: 

Der Ordner wollte mich zuerst nicht reinlassen, denn er zweifeltete den rechtmäßigen Besitz der Karte an. Diebstahl und Ähnliches warf er mir vor. Also erzählte ich natürlich meine Version und behauptete, mein Erzeuger sei krank. Jemand müsste ihn schließlich vertreten und das sei nunmal seine Tochter. Mein Vorschlag war, er solle doch bei meinen Eltern nachfragen. Mit Widerwillen ließ er mich dann zu den Sitzplätzen, Da saß ich nun als junges Mädchen, zwischen den ganzen Herren in Schlips und Anzug. Eigentlich waren diese Ehrenkarten unverkäuflich, was auch draufstand. Die Ratsmitglieder sollten doch einen Vorteil haben, durch den kostenlosen Stadionbesuch. Mein Jubel  beim Tor von Borussia Dortmund war meist riesengroß, die Männer um mich herum wunderteten sich oft deswegen. Sie rauchten Zigarren oder Pfeife und führten politische Gespräche. Im Block kannte ich niemanden. Zu den regelmäßigen Zuschauern gehörten meist Bankangestellte, Geschäftsleute oder wichtige Personen vom Vereinsmanagement. Einer von Ihnen war Friedhelm Cramer, ehemaliger Vizepräsident des Vereins. Meinem Vater berichtete ich immer von meinen Stadionerlebnissen und er hatte die Spiele dann zuhause im Radio verfolgt. Meine Geschwister interessierten sich nicht für Fußball. Ganz besonders mein Bruder, der heute selbst eine Dauerkarte hat. So kam es, dass mein Vater seine Karten meist mir überließ und ich das Westfalenstadion zu Bundesligaspielen aufsuchte. Zum Leidwesen meiner Mutter, die jedes Mal tausende Tode starb. Schließlich, war ihrer Meinung nach, ein Fußballspiel und deren Teilnahme nicht ungefährlich. Auch die Fahrt dorthin, war in ihren Augen, risikoreich. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln von unserem Vorort in die Stadt und dann in Richtung Polizeipräsidium zusammen mit anderen Fans, war eine Herausforderung. Am liebsten hätte sie es gesehen, wenn ihr Mann mich direkt zum Stadion gebracht und abgeholt hätte. Aber eine Teenagerin lässt sich nicht gerne vorfahren und sich wie ein kleines Kind behandeln. Widerwillig ließ sie mich doch Bus und Straßenbahn fahren und hoffte, dass ich heil wieder zurückkehrte. In mein Tagebuch notierte ich die Ergebnisse von den BVB Partien ein, Zudem, dass sich die Ordner langsam an mich gewöhnt hatten. Wenn ein anderer die Zutrittskontrolle am Eingang vornahm und was auszusetzen hatte, mischten sich bekannte Ordner ein. Sie riefen, ich sei als Fan dort bekannt. 

Ein ganz besonderer Samstag  war der 6.November 1982. Unser BVB spielte am 12.Spieltag gegen Arminia Bielefeld. .Zunächst erzielte F.Pagelsdorf ein Tor gegen Dortmund, aber Manfred Burgsmüller glich vor der Pause aus. die zweite Halbzeit und diese Partie sollte in die ewigen Geschichtsbücher eingehen. Es passierte, wo niemand mitgerechnet hat. Die Mannschaft von Borussia drehte das Spiel und gewann  sage und schreibe mit ELF zu EINS!  Unser Manni schoss alleine 5 Tore und auch Bernd Klotz erzielte 3 Treffer. Man kann es kaum fassen, dabei gewesen zu sein. 34.000 Zuschauer … und ich war eine davon. Wir feierten ziemlich lange und ausgelassen, sodass ich spät zuhause erschien. Klar, dass meine Mutter in völliger Aufregung war. Fast hätte sie die Polizei informiert . Es gab damals noch kein Handy. An diesem Tag war mein Papa bei Opel in Bochum arbeiten. Meine Mama holte ihn von dort mit dem Auto ab. Sie erzählte ihm, dass ich noch nicht zuhause sei. Er meinte nur, es sei kein Wunder bei diesem Ergebnis. Sie sollte sich keine Sorgen machen, ich käme schon nach Hause. Fast zeitgleich trafen meine Eltern und ich ein. Erleichtert schloss meine Mama mich in ihre Arme und Papa drückte mich, aber mehr aus Freude über den Sieg unseres Vereins. Ein unvergesslicher Tag! 

Es folgten noch einige tolle Begegnungen im schönsten Stadion der Welt.

DANKE Papa kann ich nur sagen. 

Damals ahnte ich noch nicht, was ich mit meinem BVB erleben und welche netten Fans, ich kennenlernen sollte. Es sind so viele schöne Geschichten, die ich auch aufgeschrieben habe. Sie sollen nämlich nicht in Vergessenheit geraten. Diese handeln von Stadionerlebnissen, Begegnungen mit Gleichgesinnten und Freundschaften. 

Viele meiner heutigen Freunde kenne ich durch den Fußball und den BVB.

Mein eigener Nachwuchs (Tochter) ist inzwischen auch BVB Anhänger und hat mit mir das Westfalenstadion oft besucht.

ich selbst besitze seit Jahren eine Dauerkarte auf der Westtribüne, fahre öfter zu Auswärtsspielen und bin aktiver Mitglied im Fanclub “Pokalhelden”. 

Ellen Ograbek