Die Kampfbahn „Rote Erde“ oder: Die Geschichte einer weltbekannten Sportarena. Gerd Kolbe, BVB-Archivar und Leiter der AG Tradition, hat die Chronik der Roten Erde verschriftlicht.

Liebe Freund*innen des BVB,

2024 ist für uns ein ganz besonderes „Stadion-Jahr.“ Nicht nur, dass das Westfalenstadion, der heutige Signal Iduna Park, 50 Jahre alt wird. Nein, darüber hinaus gibt es drei weitere BVB-Arenen, die runde Geburtstage feiern bzw. an die man mit Blick auf die Vereinsgeschichte erinnern sollte.

Unser Archivar und Historiker Gerd Kolbe, gleichzeitig Vorsitzender der AG-Tradition, hat die Historie dieser vier Stadien – neben dem Westfalenstadion die Kampfbahn Rote Erde, der BORUSSIA-SPORTPLATZ und der BVB-Sportplatz an der Brackeler Straße – zu einer „Stadion-Tetralogie“ aufgearbeitet, die wir in der nächsten Zeit auf unserer Internetseite präsentieren werden. Herzlichen Dank dafür!

Wir beginnen mit der Kampfbahn „Rote Erde“, deren 1. Spatenstich am 1. April 1924, also genau vor 100 Jahren, vollzogen wurde.

Viel Spaß beim Lesen auf den spannenden Spuren der „Roten Erde.“ Die Story ist faszinierend.

Eure

BVB Fan- und Förderabteilung

 

Die ersten Dortmunder Sportplätze

Trotz der Tatsache, dass ja einige Turnvereine bereits existierten, gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein keine Sportplätze, geschweige denn städtische Sportanlagen heutiger Prägung, in Dortmund.

Der Grund: Die Turnvereine wie die „Eintracht-Dortmund“, ihre Vorläufer „Turngemeinde“ und  der „Turnverein 1856,“ turnten in Hallen oder auf freien Flächen, die man  nicht besonders als Sportplätze herrichten musste.

Die „Turngemeinde“ absolvierte ihre ersten Übungsstunden beispielsweise im Haßlingschen Hof zwischen Rosenthal und Olpestraße, später im Anbau des Kühnschen Lokales und des dazu gehörigen Gartens in der Wißstraße.

Sportplätze wurden eigentlich erst erforderlich, als der „Sport", aus England kommend, Mitte der 1870er Jahre Einzug in Deutschland hielt. Zum „Sport“ gehörten neben der Leichtathletik die Ballspiele wie Fußball, Schlagball, Prellball,  und Cricket.

1892 stellte dann die Stadtverwaltung zwei größere Grundstücke außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes als Spielplätze für unterschiedlichste Aktivitäten bis hin zum Schlittschuhlaufen im Winter zur Verfügung. Eine dieser Flächen befand  im Bereich des Fredenbaums. Dort  entstand 1913 dann auch mit den Mende-Sportanlagen, benannt nach dem großen Dortmunder Mäzen Eduard Mende, die erste kommunale Sporteinrichtung.

Der Staat jedenfalls – einschließlich der Gemeinden und Städte – sah es lange Zeit nicht als seine Aufgabe an, Sportplätze zur Verfügung zu stellen. Erst zu Beginn der Weimarer Republik setzte ein Umdenken ein. 1919 wurde der Entwurf eines „Reichsspielplatzgesetzes“ vorgelegt. In diesem Kontext setzte sich generell die Einsicht durch, den Sportstättenbau zu forcieren.

 

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Der bedeutende Stadtbaurat Hans Strobel.

Hans Strobel: Der Vater des „Volksparks" - 1.April 1924: 1. Spatenstich für die Kampfbahn „Rote Erde“

Heute kennt so gut wie jeder in Dortmund die „Strobelallee", an der die Eislaufhalle, die Westfalenhalle, die Helmut-Körnig-Leichtathletikhalle, das Stadion „Rote Erde“ und der Signal Iduna Park liegen. Wie es die FAZ einmal ausdrückte: „Neben dem Olympiapark in München“ das größte Sportzentrum der Bundesrepublik.“ Wer war dieser Herr Strobel, dessen Vorname Hans lautete, und welche Bedeutung hatte  er für unsere Stadt? Die Bezeichnung„Strobelallee“ geht übrigens auf den früheren Oberbürgermeister Fritz Henßler zurück, der im Gedenken an den großen Stadtbaurat im November 1953 den Rat animierte, den bisherigen „Grünen Weg“ in „Strobelallee“ umzutaufen, da es ansonsten erstaunlicherweise keinen Hinweis in Dortmund auf seinen vielleicht bedeutendsten Stadtgestalter gab.

Der Gedanke Strobels, eine große Sportanlage als Herz des Sport-, Turn- und Spielbetriebs für ganz Westfalen in Dortmund zu bauen, geht auf das Jahr 1919 zurück. Die Stadt Dortmund  entschied sich, so die damalige Publikation „Fußball und Leichtathletik“, für die „wahrhaft ideale Freifläche im Südwesten der Stadt hinter dem „Steinernen Turm“. Zunächst hatte man auch Standorte in Brackel in der Nähe des Flughafens und in Wambel an der Pferderennbahn ins Kalkül gezogen.

Das Projekt wurde dann aber vom legendären Hans Strobel unter der Globalbezeichnung „Kleingartendaueranlage und Spiel-und Sportplätze im Volksparkgelände hinter dem Steinernen Turm“ erarbeitet, von der Stadtverordnetenversammlung am 24. März 1924 beschlossen und später vom Regierungspräsidenten in Arnsberg, den es damals schon gab, unterstützt. Warum aber der plakative Bezug auf die Kleingartendaueranlage im Titel? Nun, für solche Projekte gab es Zuschüsse, die man dringend benötigte.

Zu dem zunächst geplanten Gesamtensemble kam dann auch noch die Westfalenhalle hinzu.

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Das Bodenschichtenmodell des Volksparks Dortmund aus der Frühzeit der Planungen.

Hans Strobel, geboren 1881 in Weiden, kam im Mai 1914 nach Dortmund. Er hatte sich bereits in Bremen und Leipzig als visionärer Architekt einen Namen gemacht. Strobel ist der „Vater“ des Hauptfriedhofes, der „Dortmunder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (DOGEWO)“ und der Bundesstraße 1, damals Hindenburgdamm genannt. Sein größtes Werk aber war und ist der „Dortmunder Volkspark“ mit der Westfalenhalle, der Kampfbahn „Rote Erde“, der Kleingartendauerlanlage Ardeyblick, dem Schwimmstadion Volkspark und der Volkswiese.

„Als ich den Zirkelschlag machte, stand mir die zukünftige Gestaltung des Volksparks klar vor Augen: 'Die Kampfbahn das Herz, die Westfalenhalle die Krone'“, so Strobel in einem Aufsatz.

 

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Am 1. April 1924 begannen die Vorarbeiten mit dem symbolischen ersten Spatenstich. Strobel durfte mit Zustimmung der Bezirksregierung hunderte  Arbeitslose im Rahmen einer „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ einsetzen. Das Projekt „Rote Erde“ bezog sich auf die Erd- und Wegearbeiten für die Kampfbahn einschließlich zweier Übungsfelder und der Planung der Gebäude. Erste Überlegungen sahen eine 50 Meter lange und mit sechs Terrassenstufen zweireihig ausgebaute Tribüne vor. Später erhielt diese eine Länge von 100 Metern und zwölf Terrassenstufen.

Die günstige Gesamtlage ermöglichte die gewünschte Nord-Süd-Richtung des Fußballfeldes. Neben einem normalen Spielfeld, einer vorgeschriebenen 450 Meter (!) langen und 7,20 Meter breiten Laufbahn im Halbkreisbogen sowie einer 100-Meter-Bahn wurden auch Weitsprung- und Stabhochsprung-Anlagen eingerichtet.

110.000 qm Boden, davon 21.000 qm Mutterboden, und 80.000 qm Lehm sowie schwerer Mergelboden wurden mit Spaten und Hacke bewegt. Als Hilfsmittel standen lediglich Muldenkipper, Gleise, Benzol-Lokomotiven und Schubkarren zur Verfügung.

Termingerecht zum 1. Juni 1926 war die „Rote Erde“ fertig.  Der Begriff "Rote Erde" leitet sich übrigens von “gerodete Erde” ab, da man im Rahmen der Industrialisierung des Ruhrgebiets die ursprünglich vorhandene Heidelandschaft mit ihren Urwäldern rodete und für die heutige Nutzung vorbereitete. Einschließlich aller Nebenanlagen sowie der Straßen und Wege kostete sie 1,8 Mio. Reichsmark und fasste 35.000 Besucher, das Stadion separat betrachtet 400.000 RM.

Der Dortmunder Autor Max Ostrup schrieb kurz nach der Eröffnung über das neue Stadion: „Wuchtig und trutzig wächst die Kampfbahn aus dem Land der Roten Erde hervor, selbst ein Sinnbild der Kraft, die in diesem Boden steckt und die zu erhalten dies beitragen soll.

Die prächtige Gesamterscheinung wird durch die Bauweise und den Baustein erzielt, in dem das gesamte Stadion ausgeführt ist. Bei allen Bauten, auch bei den Stufen des Walls, ist der heimische Ruhrkohlesandstein verwandt worden, der die löbliche Eigenschaft hat, um so schöner zu wirken, je weniger man an ihm herumarbeitet. Er besitzt in seinen wundervoll wechselnden Farben, seinen Kohlenkristallen und Kernbildungen, bruchrau verarbeitet, Flächen voller Lebendigkeit und Frische, gegen die keine Ornamente oder farbige Behandlung aufkommt, hält sich ganz ausgezeichnet und stempelt die Kampfbahn mit ihren vielen stattlichen Bauten zu einem Prunkstück“.

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Blick von Osten auf den „Musikpavillon".

Und Architekt Hans Strobel ergänzt: „Im Kernbereich zeigt der Ruhrkohlesandstein mannigfache, im wesentlichen helle Farben von Graublau bis Goldocker und schöne holzartige Maserungen; in seinen natürlichen Lagern ausgelöst, kommen leuchtende Orydschichten, vom tiefsten Rostbraun über Rosarot bis Kanariengelb, hervor. Ein unter der Hacke stehender Ruhrkohlesandsteinbruch am grünen Berghang unter blauem Himmel bietet Bilder von berückender Schönheit. Von solchem flammenden Farbenmeer einen Teil in fertige Bauwerke hinüberzuretten, ist des Schweißes des Architekten wert. Dieser wundervolle Baustoff in seinem natürlichen Zustand verwendet, ergibt Flächenwirkungen so schön, wie man sie weder durch Ornamente noch durch Farbgebung erzielen könnte.“

Zwei spektakuläre Eröffnungen!

Als sich der Eröffnungstermin abzeichnete, lud Strobel Vertreter des bürgerlichen Sports und des Arbeitersports zu sich ein.

Gemeinsam machte man sich Gedanken über den festlichen Ablauf der Premiere.

Doch die Vorstellungen der rivalisierenden Sportverbände ließen sich nicht unter einen Hut bringen. Kein Konsens war beispielsweise über ein gemeinsames Programm zu erzielen. Schweren Herzens stimmte Strobel dann zu, zwei offizielle  Eröffnungen durchzuführen.

Am 6. Juni 1926 kamen wegen des schlechten Wetters lediglich 8.000 Besucher zur „bürgerlichen“ Schlüsselübergabe durch Oberbürgermeister Dr. Eichhoff und Stadtbaurat Strobel.

Als Gegner der Dortmunder Stadtauswahl im Fußball hatte man den renommierten Club Wacker München verpflichtet. Die Gäste von der Isar, mehrfacher Süddeutscher Meister, gewannen souverän mit 11:1. Das war happig!

Star der Gäste war der Ungarische Nationalspieler Alfred „Spezi“ Schaffer, der erste Superfußballer des Kontinents und zwei Mal Europas Rekordtorschütze.

 

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Pressebericht über die Rote-Erde-Eröffnung

Peter Szabo, ebenfalls Nationalspieler Ungarns, und der englische Internationale Edward Hanney, Olympiasieger im Fußball 1912, standen ihm nur wenig nach.

Der interessanteste Aspekt dieser Eröffnung dürfte jedoch darin liegen, dass der Münchener Spieler Karl Reiter sich während der Partie in eine auf der Laufbahn stehende junge Dortmunderin unsterblich Hals über Kopf verliebte. Das Ende vom Lied: Reiter blieb hier, schloss sich dem DSC 95 an und ließ sich mit seiner Angebeteten in DO-Dorstfeld nieder, wo heute noch die Nachfahren dieser „Stadion-Eröffnungsliebe“ beheimatet sind.

Die zweite Stadionpremiere eine Woche später mit stolzen 30.000 Zuschauern organisierte der Arbeitersportbund. Ein Festumzug mit 6.000 Teilnehmern führte zunächst durch die Stadt und verbreitete eine tolle Stimmung.

Und dann bescherte der Arbeiterschachverein Dortmund pünktlich um 16.30 Uhr dem Schachsport, den man begeistert pflegte, den bislang weltweit spektakulärsten Auftritt “aller Zeiten".

 „Arbeiter sollen nicht nur malochen und pöhlen, Arbeiter sollen auch ihren Geist schulen.” So lautete die Devise der Arbeitersportler. Deshalb also eine Schachpartie mit lebenden Figuren. 64 Felder auf dem Rasen, die agierenden Arbeitersportler als König, Dame, Turm, Springer, Bauer dekorativ gewandet. Eine hübsche Idee, auch und insbesondere fürs Auge! Die Kostüme waren in monatelanger Kleinarbeit liebevoll genäht worden. Die Initiatoren hatten eine spezielle Schachpartie komponiert, die eine Szene aus der französischen Revolution darstellte. Die Züge wurden per Megaphon übermittelt. Im letzten Zug schlug - oh schöne Symbolik - der schwarze Bauer den König, stürzte damit die Monarchie und befreite die Bauern vom Joch des Absolutismus.

Das Stadion “Rote Erde” ist die einzige bekannte Sportarena der Welt, die mit einer Schachpartie eröffnet wurde. Die 30.000 Besucher dürften darüber hinaus die größte Anzahl sein, die jemals “live” ein Schachspiel erlebte.

 

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Die berühmte „lebende Schachpartie" vom 13. 6. 1926

Hier die Notation der Partie:

Weiß:

Darstellend das Königtum in eitlem Prunk und Verschwendung auf Kosten der Besitzlosen.

Schwarz:

Die revolutionären Kämpfer in einfacher Tracht, beseelt von eisernem Willen, das unwürdige Joch abzuschütteln.

Der im Entstehen begriffene Aufruhr des Volkes veranlasst die Königspartei, sofortige Gegenmaßnahmen zu ergreifen, indem zunächst ein Posten vorgeschoben wird

  1. e 2 – e  4    

Die ersten Anzeichen einer gewaltigen Empörung machen sich bemerkbar.

     1. e 7 – e 6

Die Königstreuen werfen Verstärkung nach vorn

  1. d 2 – d 4

Die rote Partei ist nicht gewillt, dem Gegner alle Machtpositionen zu überlassen und setzt sich ebenfalls im Zentrum fest.

     2. d 7 – d 5

Schon fallen die ersten Opfer aus dem sich entwickelnden Geplänkel

  1. e 4 x d 5                                             e 6 x d 5

Kavallerie greift ein

  1. Sp g 1 – f 3

Ein Führer des Volkes eilt nach vorn

      L f 8 – d 6

Auch die Königspartei sendet einen Offizier zum Kampfplatz

  1. L f 1 – d 3

Weit hinten in feindliches Gebiet wagt sich ein zweiter Führer

     L c 8 – g 4

Der König wählt den besseren Teil der Tapferkeit und und flüchtet hinter kugelsichere Festungsmauern

  1. O – O

Beritten gemachtes Fußvolk wird ins Feuer geführt

    Sp b 8 – c 6

Die Vorposten des Königs erhalten Unterstützung

  1. c 2 – c 3

Das Revolutionsbanner taucht hinter den Kämpfenden auf

     D d 8 – d 7

Beiderseits werden reitende Kräfte mobil

  1. Sp b 1 – d 2                                     Sp g 8 – e 7

Drohend geht im Hintergrund die Artillerie in Stellung

  1. T f 1 – e 1

Aber auch die Revolutionäre ziehen starke Kräfte heran, um im geeigneten Moment, unter gleichzeitiger Sicherung ihrer Hauptstellung, vorzubrechen

     0 – 0 – 0

Die weiße Königin begibt sich, ungeachtet des bevorstehenden roten Ansturms, auf gefährliche Abenteuer, denen aber sofort ein Halt geboten wird.

    1. D d 1 – a 4                                  K c 8 – b 8
  • L d 3 – b 5                                   T h 8 – e 8

In wütendem Ansturm versuchen die Weißen, den Gegner zu überrennen

  1. Sp f 3 – e 5

Doch alle Angriffe werden abgewehrt

     L d 6 x Sp e 5

    1. d 4 x L e 5                                       Sp e 7 – g 6
    2. Sp d 2  - b 3                                    Sp g 6 x e 5
    3. L c  1 – e 3                                      D d 7 – c 8
    4. Sp b 3 – c 5                                    T d 8 – d 6
  • Sp c 5 x b 7       

Die große Attacke der Weißen zerschellt am Siegeswillen ihrer Gegner, und mich wuchtigen Schlägen in opferreichem Kampfe geht die Königsherrschaft mit ihrer stolzen Festung in Trümmer.

T d 6  -  g 6

    1. L e 3 x a 7 +                                      Sp c 6 x  a 7    
    2. L b 5 x  T e 8                                     Sp e 5 – f 3 x
  • K g 1 – h 1

Der König ist auf der Flucht, aber sein Schicksal ist besiegelt.

     L g 4 – h 3

  1. T e 1 – g 1                                          L h 3  x g 2 x
  2. T g 1 x l g 2                                        D c 8 – h 3
  3. T a 1 -  g 1                                          D h 3 x h 2
  4. T g 2 x D h 2                                      T g 6 T g 1 Matt                         
4. - 6. September 1927: Katholikentag in Dortmund - Späterer Papst Leiter und Gastgeber

1927 fand der 66. Katholikentag in der Westfalenhalle und in der „Roten Erde“ statt.

Die Leitung hatte der damalige apostolische Nuntius des Vatikans in Berlin, Eugenio Pacelli.

Der ranghohe Gast kam bereits zwei Tage vor Beginn des Katholikentages, den er als Vertreter des Vatikans leiten würde: Eugenio Pacelli erreichte Dortmund am 2. September 1927 auf dem Luftwege.  Von Trier kommend landete er auf dem Flughafen in DO-Brackel. Bereits kurz nach seiner Ankunft fuhr er zur Westfalenhütte und suchte im Rahmen einer Werksbesichtigung auch Kontakt.zu den Stahlwerkern. Deren Belange lagen ihm am Herzen. Später, in seiner Residenz im Christinenstift, arbeitete er an seinen Predigten und Ansprachen und bezog die Hoesch-Eindrücke gezielt ein.

Dortmund hatte sich akribisch auf das große Ereignis vorbereitet, das vom 4. - 6. September stattfand. Stadtrat Kayser war Chef des Lokalkomitees und koordinierte zwischen katholischer Kirche und Stadt Dortmund.

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Der apostolische Nunzius Eugenio Pacelli in der Roten Erde.

Am Sonntagmorgen, dem 4. September, war es dann soweit: Zigtausende Gläubige trafen sich in allen Stadtteilen und formierten sich zu zwei mächtigen Marschsäulen, die sich im Stadion “Rote Erde”, dem Ort des Eröffnungs- und Festgottesdienstes, trafen. Sie alle hatten sich über das festlich mit Flaggen und Wimpeln geschmückte Dortmunder Stadtbild gefreut.

Eingerahmt in Massenchöre und Darbietungen von Musikkorps zelebrierte Kardinal Pacelli in der zur “Kirche unter freiem Himmel” umfunktionierten Sportarena die heilige Messe und spendete den Gläubigen seinen Segen. Zu den Teilnehmern gehörten auch Delegationen aus Amerika, Ungarn, der Schweiz und der Tschechoslowakei.

Für Dortmund war der Katholikentag ein großer Erfolg. Westfalenhalle und “Rote Erde” wiesen nach, auch für Veranstaltungen dieser Größe und Ausrichtung bestens geeignet zu sein. Und die zahlreich anwesenden internationalen Journalisten trugen den Namen der Stadt  in alle Welt.

Übrigens: Der apostolische Nuntius Eugenio Pacelli wurde wenige Jahre später zum Papst gewählt und ging als  Pius XII – wenn auch nicht unumstritten -  in die Geschichte ein. 

Der Fußball findet seine Heimat

Der Fußball war in der Geschichte der „Roten Erde“ immer ein besonderer Kristallisationspunkt. In den ersten zehn Jahren waren es aber keineswegs die Borussen, sondern die Knappen vom FC Schalke 04, die das Spiel  in das Stadion tragen. Von 1926/27 bis 1938/39 wurde die Kampfbahn neunmal Austragungsort von Vorrundenspielen zur Deutschen Meisterschaft mit den Jungs aus Gelsenkirchen im Mittelpunkt.

Es beginnt 1927. Da spielt der FC Schalke am 8. Mai in der Vorrunde zur Deutschen Meisterschaft gegen München 1860 und verliert mit 1:3. Und was vermeldet der „Sport vom Sonntag“ am Tag danach? „Die Organisation, die diesmal Borussia 09 in Händen hatte, klappte gut.“

 

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Die Schalker brachten den großen Fußball in die Rote Erde.

Und  weiter heißt es: „Die 25.000 – 30.000 Zuschauer, die die Kampfbahn „Rote Erde“ gut füllten, hätten ihrem Verhalten nach einen Sieg Schalkes lieber gesehen..“

Sieh mal einer an! Der BVB organisiert ein Spiel der Blau-Weißen und die Besucher stehen wie ein Mann hinter den Jungs aus der Nachbarstadt. Wie geht das denn? Ist das überhaupt erlaubt?  Aber klar! Man war damals nämlich miteinander befreundet, und die Borussen verehrten die Knappen als ihre Vorbilder.

Weiter gings 1929 mit einem 4:1-Sieg über die alte Dame Hertha BSC, die mit dem berühmten „Hanne“ Sobeck antrat oder 1932 mit dem 5:4 über den heute gänzlich unbekannten SuBC Plauen.`

Zwei Jahre später, als die Königsblauen 1934 zum ersten Mal Deutscher Meister wurden, gab es auf dem Heimweg mit der Reichbahn einen Stopp in Dortmund. Hier wurden die Schalker Meisterspieler am Bahnhof wärmstens empfangen und nach einem karnevalsähnlichen Umzug durch die City durften sie sich als erste Fußballmannschaft überhaupt ins Goldene Buch der Stadt Dortmund eintragen. Der BVB kam erst 2011 in diesen Genuss...

Weitere spannende Aktivitäten

Im extrem kalten Winter 1928/29 wurde das nördliche Übungsfeld der Kampfbahn in eine Eisbahn umgewandelt. Wichtig war, dass die Fläche absolut horizontal lag. Das allerdings konnte der problemlos garantiert werden. Die Eisbahn wurde ein Hit.

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Die Rote Erde 1927 als „Wintermärchen“

1932 folgte das 3. Reichstreffen der Deutschen Jugendkraft. Zu den Hauptrednern gehörten Reichskanzler Dr. Brüning und der Oberbürgermeister von Köln, Dr. Konrad Adenauer mit Namen. Die DJK war in der Weimarer Republik der bedeutendste der konfessionellen Sportverbände und stand der Zentrumspartei nahe. 15.000  Sportler und Tausende Besucher erlebten ein eindrucksvolles sportliches Schauspiel.  Am 2. und 3. Juli 1932 stand der Reichskriegertag mit 125.000 Teilnehmern auf dem Programm.

Nach den ersten Großveranstaltungen stellte man schon 1928 fest, dass das Fassungsvermögen der „Roten Erde“ nicht ausreichte. Als wichtigste Ausbaumaßnahme wurden die Doppelstehreihen durch den Einbau einer Steinkante geändert. Einige tausend Besucher mehr hatten Platz. Trotzdem brachte diese Lösung nicht den gewünschten Erfolg. Weitere Vorschläge folgten. Erfreut wurde 1932 zur Kenntnis genommen, dass 234.000 RM aus Arnsberg für die Erweiterung bereitgestellt worden seien. Leider beschlagnahmten die Nazis kurz nach ihrer „Machtübernahme“ am 15. Februar 1933  die vorgesehenen Mittel und verwendeten sie für eigene Projekte. Die  „Rote Erde“  guckte in die sprichwörtliche „Röhre“, in diesem Fall in die „Nazi-Röhre“.

1935: Erstes Länderspiel gegen Irland in Dortmund

Die Rote Erde hatte mittlerweile landauf, landab einen exzellenten Ruf. Nur ein Fußball-Länderspiel hatte es hier bis 1935 noch nicht gegeben. Die Dortmunder Stadtväter „rödelten“ unablässig beim DFB. Dann endlich, 1935, war es soweit. Dortmund erhielt mit der Begegnung Deutschland – Irland am 8. Mai 1935 sein allererstes Länderspiel, wobei die Gesamtbilanz der Arena mit insgesamt nur zwei Länderspielen doch recht schmalbrüstig wirkt.

Obwohl der DFB erstmals in seiner Geschichte einen Mittwochtermin ausgewählt hatte, war die „Rote Erde“ mit 35.000 Zuschauern bestens besucht, Zeitungsberichte sprechen sogar von „völlig überfüllt“! Und das, wie gesagt, an einem Mittwoch und damit an einem ganz normalen Werktag. Fußball hatte sich also bereits als Zuschauermagnet etabliert und Länderspiele galten als sportliche Festtage.

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Otto Siffling vom VfR Mannheim gehörte zu den Stars der Deutschen Nationalmannschaft.

Alle waren voller Vorfreude und sehr gespannt darauf, was die Buchloh; Janes, Tiefel; Zielinski, Goldbrunner, Bender; Lehner, Siffling, Lenz, Damminger und Fath im DFB-Trikot gegen die Berufsspieler von der grünen Insel würden ausrichten können. Insbesondere der Mannheimer Otto Siffling war praktisch überall Gesprächsthema, galt (und gilt) er doch „als einer der talentiertesten Fußballspieler, die Deutschland je hervorgebracht hat“, wie es der Kicker einmal formulierte.

Mit August Lenz vom heimischen BVB und Paul Zielinski (Union Hamborn) waren lediglich zwei Akteure aus dem Ruhrgebiet dabei. Fritz Szepan saß verletzt auf der Tribüne. August Lenz hatte genau zehn Tage zuvor im Heysselstadion zu Brüssel beim 6:1-Sieg über Belgien sein Debüt im Trikot der Nationalelf gefeiert und gleich bei seinem Einstand zwei astreine  Tore erzielt.

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Pressebericht über das Länderspiel Deutschland – Irland

„Aber vor dem Spiel gegen Irland zuhause in Dortmund und in meinem Stadion „Rote Erde“, da hatte ich doch mächtigen Bammel“, so erzählte der blonde August gern, wenn er Freunden und Fans von seiner großen fußballerischen Karriere berichtete.

Die erste Halbzeit der Partie gehörte dem Gast aus dem Freistaat Irland. Mit ihrem halbhohen Spiel verwirrten sie die die DFB-Kicker ganz gehörig. Folgerichtig gingen sie auch durch ihren Verteidiger Geskins in Führung, bevor der Halblinke Ludwig Damminger per Kopfball den Ausgleich erzielte.  Mit diesem Ergebnis ging es dann auch in die Halbzeit.

Nach der Pause lief das deutsche Spiel flüssiger, und bei leichter Feldüberlegenheit schafften erneut Damminger und dann Ernst Lehner mit ihren Treffern das letztlich verdiente 3:1 für den Gastgeber.

Der Sieg konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Leistung insgesamt gesehen nicht voll befriedigte. Übrigens: Auf der Tribüne der „Roten Erde“ saß an diesem Mittwoch auch die spanische Nationalmannschaft, gegen die Deutschland nur vier Tage später in Köln anzutreten hatte. Die spanischen „Kiebitze“ leisteten ganze Arbeit: Nach einer langen Reihe von Siegen verlor Deutschland diese Partie mit 1:2.

Auch das Rückspiel gegen Irland brachte eine Niederlage. Am 17. Oktober 1936 hagelte es für die DFB-Formation in Dublin eine 2:5-Packung. 

1938: BVB – Ostmark Wien mit Sindelar zu Gast

Während die Fußball-Fans heute von Ronaldo, Mbappé oder Messi schwärmen, hießen die Stars vor dem 2. Weltkrieg Ademir, Leonidas, Meazza oder Matthias Sindelar. 

Sindelar, wegen seiner schmächtigen Körperstatur „Der Papierene“ genannt, war Star mit Kultstatus bei Austria Wien, das sich nach dem „Anschluss an das Deutsche Reich“ Ostmark Wien nennen musste. Und genau gegen Ostmark Wien spielte der BVB Ende Mai 1938 in der „Roten Erde“.

Austria Wien ging 1926 aus dem „Vienna Cricket-Club und der Abspaltung „Wiener Amateur-Sportverein“ hervor. Eines der Vorstandsmitglieder: der spätere Trainer des österreichischen „Wunderteams“ Hugo Meisl. Meisl war der Begründer des berühmtem „Mitropa-Cups“, der als Vorläufer des späteren Europapokals der Landesmeister, heute Champions League, in den 1930er Jahren entstand.

Österreichische Meisterschaften und Cupsiege wurden wie am Fließband erreicht.

Austria holte sich 1933 und 1936 den Mitropa-Cup als Höhepunkte der Vereinsgeschichte.

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Matthias Sindelar, der „Beckenbauer der 1930er Jahre"

All dies fiel auch in die Zeit der österreichischen „Wunderelf“, der Nationalmannschaft die in Folge in 15 Länderspielen ungeschlagen blieb. Matthias Sindelar, WM-Teilnehmer 1934, war auch hier der Garant für überragende Spielkultur, sportliche Leichtigkeit und fußballerischen Erfolg.

Während die österreichischen Fußballprofis ihr Spiel perfektionierten, vollzog Hitler am 12. März 1938 den sog. Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich.

Um sportliche Reichs-Harmonie zu dokumentieren, ließ Hitler Ostmark Wien auf „Deutschland-Tournee“ gehen. So kam es Ende Mai 1938 zur  Begegnung zwischen dem BVB und den „Ostmärkern“.

Borussia hatte 1936 mit tatkräftiger Hilfe der beiden Schalker Trainer Ernst Kuzorra und Fritz Thelen die Gauliga erreicht. Man war ambitioniert, großen Fußball im Stadion Rote Erde, in dem man seit der Verdrängung vom „Borussia-Sportplatz“ am Borsigplatz zu spielen hatte, zu bieten. Da kam die Tournee von „Ostmark“ genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Wiener hatten im Rahmen ihrer Reise bislang nur Triumphe gefeiert. Gegen den BVB gab es jedoch lediglichein 1:1-Unentschieden. Die 6.500 Besucher erlebten Tore von Bordolie (Ostmark) und August Lenz, der den Ausgleich markierte.

Das besondere Augenmerk lag fraglos auf Matthias Sindelar, der gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Jerusalem im Wiener Sturmzentrum auftrumpfte. Vielleicht hatte der 37-Jährige zu diesem Zeitpunkt bereits den Höhepunkt seines Könnens überschritten. Trotzdem: Es war eine Augenweide, ihn zu sehen und zu erleben, wie er genial die Bälle verteilte.

Der weitere Lebensweg des Matthias Sindelar verlief tragisch. Der aus dem Wiener Vorort Favoriten stammende „Papierene“ litt sehr unter den neuen Machthabern. Er war mit der „halbjüdischen“ Italienerin Camilla Castagnola liiert. Auch für Austria gab es schwere Zeiten, galt der Club doch allgemein ebenfalls als jüdisch.

Herberger, der sich um Sindelar als Akteur der Deutschen Nationalmannschaft wegen seiner Erfahrung, seiner Spielübersicht und seiner Autorität bemühte, holte sich eine Abfuhr. Sindelar wollte nicht; aus politischen Gründen, wie man munkelte.

Am 13. Januar 1939 starb Matthias Sindelar. Er wurde gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin tot aufgefunden. Todesursache: Vergiftung. Die Frage damals lautete: Mord, Selbstmord, Doppelselbstmord, Unglücksfall? Letzte Zweifel an der Todesursache wurden niemals ausgeräumt.

Der bekannte jüdische Schriftsteller Prof. Friedrich Torberg, langjähriger Übersetzer Ephraim Kishons, setzte Matthias Sindelar ein eindrucksvolles literarisches Denkmal mit dem anrührenden Gedicht: „Auf den Tod eines Fußballspielers“.

 

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Kein Länderspiel, aber fast: Auswahlspiel Deutschland – Böhmen-Mähren.

14. November 1943: Borussias erster Sieg über Schalke

„Der unüberwindliche Riegel vor dem Borussen-Tor“. Mit dieser Überschrift feierte die „Westfälische Landeszeitung – Rote Erde“ den ersten Sieg des BVB über den FC Schalke 04 in der Geschichte der beiden großen westfälischen Rivalen. Und in der Tat war es ein bemerkenswertes Match mit ebenso bemerkenswerten Begleiterscheinungen, das an diesem 14. November 1943 – einem Sonntag – in der  „Roten Erde“ über die sprichwörtliche Bühne ging.

Der große FC Schalke und die Schwarz-Gelben vom Borsigplatz waren bereits seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit aufeinander getroffen. Und fast ebenso regelmäßig hatten die Knappen aus Gelsenkirchen die Nase vorn gehabt. Bereits das erste Spiel 1925 entschieden die Schalker mit 4:2 für sich.

Weitere schmerzhafte Niederlagen – vereinzelt sogar zweistellig - folgten.

 

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August Lenz, der Schütze des Siegtores für den BVB

Aber nun zum 14. November 1943. Schalke und der BVB hatten sich in der Saison 1943/44 souverän von den anderen Teams abgesetzt. Die Blau-Weißen hatten sich noch gar keinen, die Schwarz-Gelben lediglich einen Minuspunkt „eingehandelt“. Es stand also ein echtes Spitzenspiel auf dem Programm, das auch unter Prestige-Gesichtspunkten von erheblicher Bedeutung war.

Doch alle Verantwortlichen stellten sich die bange Frage: “Wie viele Besucher würden zu der Partie kommen“? Immerhin hatte es nur drei Tage zuvor einen der vielen Bombenangriffe auf Dortmund mit zahlreiche Toten und Verletzten gegeben. Von den zahllosen zerstörten Wohnungen ganz zu schweigen. Jeder damals wusste: Die Alliierten ließen ihre Bomber Tag und Nacht fliegen und scherten sich den Teufel um die Tatsache, dass in Dortmund Fußball gespielt wurde.

Mit dieser Gefahr im Nacken bildeten die 18.000 unentwegten Besucher eine sehr respektable Kulisse, als Schiedsrichter Lang aus Bochum die Partie anpfiff.

Borussia beeindruckte insgesamt durch den größeren Einsatz und deutlich mehr Zielstrebigkeit. Damit triumphierte man letztlich über den gepflegten  Schalker Kreisel, der in dieser Partie nur sporadisch zum Tragen kam.

Schon nach drei Minuten gab es die erste gute Chance für die Gastgeber. August Lenz  zog vehement ab, traf aber nur den Pfosten. Die frühen Lücken in der Schalker Abwehr nutzte in der achten Minute erneut Lenz und verwandelte gekonnt zum 1:0. Hans Klodt im Gästekasten reagierte zu spät. Das war dann auch schon der Siegtreffer!

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Der spätere Weltmeister Bernie Klodt spielte schon 1943 bei den Knappen.

Der BVB spielte unerschrocken und stark auf. Vor dem sicheren Keeper Hoffmann brillierte die Läuferreihe, das Glanzstück der Heimmannschaft. Mit Müller, Stachorra und Goebel legten die Borussen einen Riegel vor ihr Tor, der nicht zu überwinden war. Stachorra war der Prellbock, Müller und Goebel trieben ihre Elf unermüdlich an. Vorn überzeugte Lenz mit Einsatz und Schnelligkeit, assistiert von den technisch  versierten Trapp und Zideller.

Schalke trat mit den Brüdern Hans und Bernie Klodt an, die beide eine gute Visitenkarte abgaben. Szepan, Schweißfurth und Tibulski ragten weiterhin heraus.

Der verdiente Sieger spielte mit:

Hoffmann; Ruhmhofer, Richert; Müller, Stachorra, Goebel; Schüttners, Trapp, Lenz, Zideller, Rogoll.

Schlussakkord im Bombenhagel

Auch das Stadion Rote Erde wurde letztlich ein Opfer der alliierten Bombenangriffe, die die Sportstätte noch kurz vor dem Ende des 2. Weltkriegs in Schutt und Asche legten.

Fritz Kauermann sagt dazu in der Publikation „Dortmund -  von der toten zur lebendigen Stadt":

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Fritz Kauermann, einer der wichtigsten Wegbereiter des Dortmunder Sports nach 1945.

„12. März 1945: Letzter Großangriff auf Dortmund. Am Standort, von dem ich Monate vorher die Westfalenhalle niederbrennen sah, beginnt diesmal der Bombenregen. Neben den anderen gewaltigen Zerstörungen verwandelte der Angriff die zweite sportlichen Großveranstaltungen dienende Großanlage, das Stadion „Rote Erde“ mit dem Schwimmbad und dem Luftbad, in einen Trümmerhaufen, sodass in den folgenden Tagen die Bevölkerung dieser Gegend den Beinamen „Mondlandschaft“ gab.“

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Ein schrecklicher Anblick: Die zerstörte Rote Erde 1945

Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg

Seit den schweren Zerstörungen 1945 stand die Kampfbahn nur als „Torso“ für den Sport zur Verfügung. Über 90 Bombenkrater zählte man nach Kriegsende. Zwar gingen 1946 erste kleinere Veranstaltungen im Radsport über die Bühne, das Stadion selber wirkte aber immer noch wie ein Mahnmal gegen den Krieg.

Für den BVB, der wenig später die Anlage wieder nutzen durfte, hatten die Kriegszerstörungen auch zur Folge, dass sich die Schwarz-Gelben und der jeweilige Gegner im benachbarten Schwimmstadion „Volkspark“ umkleiden mussten, um dann durch ein Spalier zahlloser Fußballfreunde zum Marathontor und von da aus zum Anstoßpunkt des Stadions zu schreiten.

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Erich Schanko kam 1946 zum BVB.

14. September 1947: Startschuss für die “Fußball-Oberliga West” - BVB schlägt Katernberg 3:0

Die Bundesliga, heute unser Maß aller Dinge im Fußball, wurde bekanntlich 1962 in Dortmund beschlossen. Damit endete ein Jahr später die Geschichte der “Oberliga West“, die am Sonntag, dem 14. September 1947, ihre Geburtsstunde erlebte. Eine Geburtsstunde, die buchstäblich aus den Trümmern des 2. Weltkrieges heraus erwuchs.

Neben den arrivierten Clubs wie dem BVB, Schalke 04,  Düsseldorf oder Aachen waren heute fast vergessene Vereine wie Sportfreunde Katernberg, STV Horst-Emscher, VfR Köln, Preußen Dellbrück und der VfL Witten in der ersten Spielzeit vertreten.

Als Favoriten galten der Altmeister FC Schalke 04 und der frischgebackene Westfalenmeister BVB mit seinem Trainerfuchs Ferdinand Fabra. Borussia vertraute auf die bewährten Kräfte rund um Ady Preißler, “Pat” Koschmieder, August Lenz, Max Michallek und Keeper Willi Kronsbein. Als Neuling empfahl sich  Erich Schanko aus Bövinghausen.

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Heinz Kubsch stand bei Katernberg im „Kasten“.

Der BVB begann mit einer Heimbegegnung gegen die Sportfreunde aus Katernberg, bei denen ein 18-Jähriger mit Namen Heinz Kubsch im Tor stand. Er sollte 1954 gemeinsam mit Borussias Heini Kwiatkowski und Toni Turek als WM-Torhüter in die Schweiz fahren. Kwiatkowski, von den Fans liebevoll “Kwiat” gerufen, stand zur Oberliga-Premiere übrigens im Gehäuse des FC Schalke 04. Ein weiterer Deutscher Doppelmeister des BVB der 50er Jahre, Fred Kelbassa, jagte Anno ´47 noch beim STV Horst-Emscher dem runden Leder nach.

Borussia wirkte gegen Katernberg spielerisch reifer, technisch und taktisch bestens geschult. Insbesondere die Außenläufer Michallek und Janowski waren Trumpfkarten im schwarz-gelben Aufbauspiel. Katernberg stellte sich zwar als kampfstarkes Team vor, zog insgesamt aber mit 0:3 Toren den Kürzeren. Die Tore für den BVB schossen Ibel und Lenz (2).

Borussia spielte mit:

Kronsbein, Ruhmhofer, Halfen, Michallek, Koschmieder, Janowski, Sandmann, Preißler, Lenz, Ibel, Schanko.

Den ersten Spieltag der Oberliga West verfolgten insgesamt 100.000 Besucher. Die Borussen  wurden 1948 nach Abschluss der 24 Saisonspiele der erste Westdeutsche Meister der Oberliga-Geschichte. Vizemeister wurde Katernberg; der FC Schalke landete nur auf einem enttäuschenden sechsten Rang. Die große Zeit der Knappen ging zu Ende. Borussia hingegen wurde bis 1963 der erfolgreichste Club im Westen mit insgesamt sechs Titeln. Hinzu kamen die Deutschen Meisterschaften 1956, 1957 und 1963.

In der “ewigen” Oberliga-West-Tabelle dominiert der BVB mit 600:336 Punkten (Zweipunkte-Regelung) deutlich vor dem FC Schalke, der es auf 555:361 Punkte brachte. Neun Mal wurden die Borussen August Lenz (1948), Ady Preißler (1949 und 1950), Alfred Niepieklo (1956), Alfred Kelbassa (1956 und 1957) und Jürgen Schütz (1960, 1961 und 1963) Torschützenkönige, wobei Jürgen Schütz mit 31 Treffern in der Saison 1959/60 den Torrekord aller 16 Spielzeiten aufstellte.

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Franz Podgorski, der Schütze des Siegtores.

1948: BVB schlägt Schalke 1:0. Franz Podgorskis „Goldenes Tor“ - Rekordspiel: 46.000 in Roter Erde

Mehr als 20 übervolle Sonderzüge der Reichsbahn fuhren am Sonntag, dem 19. Januar 1948, allein von Gelsenkirchen nach Dortmund. Der Grund der modernen Völkerwanderung: Borussia Dortmund, der amtierende Westfalenmeister, traf  im zweiten Rückrundenspiel der Premierensaison der Oberliga West 1947/48 auf den sechsmaligen Deutschen Meister Schalke 04. So eine Resonanz hatte es noch nie gegeben! Bereits in den Vormittagsstunden pilgerten Zig-Tausende Fußballfreunde  die Hohe Straße in Richtung Süden hinauf, um rechtzeitig zum Anpfiff um 15.00 Uhr im Stadion  zu sein.

Einige Zeitungen schrieben von 50.000 Besuchern, andere von 45.000. Die Polizei legte sich letztlich auf 46.000 fest. Das war ein bis dato unfassbarer bundesweiter Besucherrekord für ein „normales“ Meisterschaftsspiel zweier Vereinsmannschaften.

Aber es ging ja auch um nicht mehr und nicht weniger als um die Vormachtstellung in der herausragenden Fußball-Region Westfalen, damals weit und breit das Maß aller fußballerischen Dinge. Schalke hatte vor dem Krieg alles souverän im Griff, nach 1945 meldeten die Borussen ihrerseits erfolgreich Ansprüche an, Westfalens Nr. 1 zu sein.

Aus heutiger Sicht muss der damalige Gang zum Stadion regelrecht gespenstisch anmuten: Die  Innenstadt war im Krieg zu 93% zerstört worden, in der Hohen Straße sah es ähnlich aus. Auch die Westfalenhalle lag noch in Trümmern.

Vor den Kassenhäuschen in der Strobelallee, damals noch „Grüner Weg,“ bildeten sich bis zu hundert Meter lange Schlangen, um die begehrten Eintrittskarten zu ergattern. Und dann ging`s ab ins Stadion, dessen Besucherränge ebenfalls noch die Spuren des Bombenhagels vom März 1945 aufwiesen.

Die Partie der Hinrunde war in Gelsenkirchen unentschieden1:1 ausgegangen. Die Knappen schwächelten in der ersten Halbserie. Der BVB hingegen war  mit den Sportfreunden aus Katernberg an der Spitze der Tabelle angesiedelt. Trotzdem waren die Borussen keineswegs favorisiert. Immerhin traten die Gäste mit ihren Cracks Szepan, Kuzorra, Burdenski, Bernie Klodt und Tibulski an. Im Tor stand als Nachfolger von Nationaltorhüter Hans Klodt ein gewisser Heinrich Kwiatkowski, der einige Jahre später den Weg zum BVB finden  und hier eine große Karriere mit zwei Deutschen Meistertiteln und dem  Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz absolvieren sollte.

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Heinrich Kwiatkowski, später Borussias Meistertorwart, hier im Gehäuse des FC Schalke.

Das Spiel hielt alles, was es versprochen hatte. Beide Teams zeigten eine erstklassige Partie mit großen spielerischen Momenten. Schon bald erkämpften sich die Hausherren Vorteile, die sich allerdings noch nicht in zählbaren Torerfolgen ausdrückten.

Der BVB-Siegtreffer fiel kurz vor der Halbzeit und wird in einem damaligen Zeitungsbericht fast prosaisch wie folgt beschrieben:

„Und stets wechseln die aufregenden Bilder vor den Toren, bis in der 43. Spielminute Podgorski im Anschluss an die Abwehr eines Eckballs mit wunderbarem Torinstinkt weich und flach, an vielen Beinen vorbei, durch eine sich nur Sekunden öffnende Lücke den Ball im Schrägschuss in den unteren Torwinkel des Netzes lenkt.“

In der zweiten Halbzeit dominierte dann der BVB das Geschehen deutlich. Nur weitere Treffer fielen nicht. Im Gegenteil versiebte der ansonsten groß auftrumpfende BVB-Star August Lenz einen an Erdmann verschuldeten Foulelfmeter.

 

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Selten genug: August Lenz verschoss einen Elfer. Gästetorhüter Heinrich Kwiatkowski lenkte mit einer tollen Robinsonade das Leder neben den Pfosten.

Es blieb beim verdienten 1:0-Sieg der Borussen, die mit diesem Erfolg im Rücken die weitere Saison dominierten und 1948 zum ersten Westdeutschen Meister in der Geschichte der Oberliga West werden konnten.

BVB: Kronsbein; Halfen, Ruhmhofer; Michallek, Koschmieder, Schanko; Janowski, Preißler, Lenz, W. Erdmann, Podgorski.

29. 5. 1949: BVB startet schlitzohrig in neue Republik - „Interne“ Zonenmeisterschaft gegen HSV

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne!“ Dieser schöne Hesse-Satz gilt auch für die Bundesrepublik, die am Montag, dem 23. Mai 1949, gegründet wurde.

Gerade einmal drei Tage später war „Vatertag“ in Deutschland, genau genommen „Christi Himmelfahrt.“ Einige Clubs nutzten den Feiertag, um die allerersten Fußballspiele in der neuen Republik durchzuführen. Zu diesen „Pionieren“ gehörte natürlich auch der BVB, der nach Gütersloh zu einem „Gesellschaftsspiel,“ wie es damals so schön hieß, reiste.

Quasi als Aufgalopp für ein bemerkenswert-kurioses Match, das am Sonntag, dem 29. Mai 1949,  in der heimischen Kampfbahn „Rote Erde“stattfand. Borussia Dortmund traf in einer Partie um die „interne Zonenmeisterschaft“  auf den ruhmreichen Hamburger Sportverein, den Deutschen Meister von 1923 und 1928.

„Interne Zonenmeisterschaft, was war das denn?“ Die Antwort spiegelt den damaligen Zeitgeist wider:

Als die Währungsreform 1948 den drei Westzonen der späteren Bundesrepublik die D-Mark bescherte, standen auch die Fußballclubs vor einem absoluten finanziellen Neubeginn. Die erste Bestandsaufnahme lautete: „Kein Geld da und damit so gut wie keine sportlichen Entwicklungsmöglichkeiten!“

Doch bekanntlich macht Not erfinderisch. So ersannen zum Beispiel der BVB und der Hamburger SV im Frühjahr 1949 nach Abschluss der Oberligen Nord und West kurzerhand eine „interne Meisterschaft“ der britischen Zone, um zusätzlich Geld in der neuen harten Währung zu verdienen!

In den beiden Jahren zuvor hatte es nämlich offizielle Zonen-Meisterschaften gegeben, die ein großes Zuschauerinteresse fanden. Für 1949 war dieses Format vom DFB allerdings ad acta gelegt worden.

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Die Zeitungen berichteten ausführlich vom „inoffiziellen“ Zonenendspiel 1949.

Sehr zum Leidwesen des Westmeisters BVB und des Nordmeisters HSV, die eigentlich in den Genuss des finanziell lukrativen Endspiels gekommen wären.

Also hatten sich die Präsidien des BVB und des HSV auf eine kleine Trickserei verständigt. Es wurde beim Westdeutschen Spielverband  eine  Freundschaftsbegegnung zwischen den beiden Oberligameistern angemeldet. Den DFB ließ man außen vor, um keine schlafenden Hunde zu wecken. In der Werbung allerdings wurde die Partie als „Fußball-Großkampftag“ und  „Interne Zonenmeisterschaft“ auf  riesigen Plakaten groß herausgestellt und wurde damit zum ersten großen Fußball-Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik!

Leider regnete es an dem besagten 29. Mai 1949 wie aus Kübeln. Deshalb folgten  nur 18.000 Fußballfans der freundlichen „internen“ Endspiel-Einladung. Sie wurden jedoch nicht enttäuscht. Der BVB siegte nach großem Spiel mit 5:2. 

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Max Michallek, einer der größten BVB-Spieler aller Zeiten.

Günter „Bubi“ Rau, der anstelle des verletzten Stammtorwarts Willi Kronsbein zwischen den Pfosten des BVB-Gehäuses stand, wies seine erstklassigen Reflexe nach. „Spinne“ Max Michallek schaltete und waltete nach Belieben. Zwei clever angelegte „Sperrketten“ ließen keine HSV-Entfaltung zu. Adi Preißler und Erich Schanko brillierten mit klugem Spielaufbau. Der „Erich mit der hohen Stirn“ entpuppte sich als Meister des tödlichen Passes.

Die Treffer für Borussia erzielten Erdmann nach einer Ecke, Michallek per Kopf, Kasperski mit seinem starken rechten Fuß, Lenz nach glänzender Vorarbeit von Ibel und Preißler, der einen Abpraller nach feinem Freistoß von Michallek aus 25 Metern aufnahm und ins leere Tor einnetzte.

Der „interne Zonenmeister“ BVB spielte mit Rau; Ruhmhofer, Halfen; Buddenberg, Koschmieder, Schanko; Erdmann I, Michallek, Preißler, Kasperski und Lenz.

1950: Tottenham mit sportlichem Brückenschlag - „Sir Alf“ Ramsey in der Roten Erde - BVB Vorbild für die „Spurs“

Fast genau fünf Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 begab sich Tottenham Hotspur im Mai 1950 zum ersten Mal  in seiner Geschichte auf eine Deutschlandtournee, die die britische Spitzenmannschaft auch nach Dortmund führen sollte. Damit betätigte sich der Club aus dem Nordosten der englischen Hauptstadt mit seinen jüdischen Wurzeln als einer der ersten fußballerischen Brückenbauer zwischen den lange verfeindeten „Tommis“ und den Deutschen, die London im 2. Weltkrieg noch vehement bombardiert und beschädigt hatten.

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Vorschau auf das Spiel gegen Tottenham 1950.

Bevor man Dortmund ansteuerte, war man bereits in Hannover und Berlin zu Gast gewesen und hatte Arminia Hannover, Tennis-Borussia Berlin und Wacker 04 jeweils das Nachsehen gegeben.

Am 24. Mai 1950 gaben die Spurs im nach wie vor „kriegsbeschädigten“ Stadion Rote Erde gegen den BVB ihre erste Visitenkarte überhaupt in Dortmund ab. Es wurde eine vollendete Demonstration englischer Fußballkunst, die sich auch in dem Endergebnis von 4:0 für den Gast von der Insel ausdrückte. Der unterlegene BVB hielt über die gesamte Spielzeit jedoch unerschrocken und wacker dagegen, sodass die 18.000 Besucher eine Klassepartie erleben durften.

Tottenham kam mit allen Stars, darunter auch Torhüter Ditchburn, Nicolson, Baily und Alf Ramsey. Ramsey ist einer der bekanntesten englischen Kicker und Trainer überhaupt und nur in einem Atemzug mit Superstars wie Sir Bobby Charlton und  Bobby Moore zu nennen. Er spielte von 1949 – 1955 für Tottenham und absolvierte in dieser Zeit 226 Partien, in denen er als rechter Verteidiger 24 Tore erzielte und  darüber hinaus zu 32 Länderspielen kam, die ihn u. a. auch zur Fußball-WM 1950 nach Brasilien führten.

Seine größten Erfolge erzielte Ramsey allerdings als Trainer der englischen Nationalmannschaft, die er von 1963 – 1974 coachte. 1966 wurde er mit seinem Team  im eigenen Land mit dem 4:2 über Deutschland Fußball-Weltmeister. Danach erhob ihn die  Queen in den Adelsstand.

Der BVB hatte den britischen Gästen offensichtlich sehr imponiert. In einem Interview des Daily Mirror unterstrich Ronny Burgess, der Tottenham-Mannschaftskapitän, kurze Zeit später:

„Wir sind während unserer Deutschland-Tournee von der Form tief beeindruckt worden, die Borussia Dortmund gegen uns zeigte. Der BVB spielt jenen Fußball, nach dem wir streben. Wir wollen in der neuen Saison das kurze, schnelle, kontinentale Passspiel der Schwarz-Gelben übernehmen und hoffen, es durch entschlossenes Ausnutzen der heraus gespielten Chancen noch verbessern zu können.“

Der BVB als Vorbild für die Spurs. Das war ein echter Ritterschlag, galten doch die Mannschaften von der Insel damals als das Maß aller fußballerischen Dinge!

1952: Internationale Spiele schlagen Brücken der Freundschaft

Als “Boten der Versöhnung” traten die Borussen nach dem Vorbild der “Spurs” ab 1952 in Erscheinung. Dortmunds Oberbürgermeister Fritz Henßler und sein Oberstadtdirektor Wilhelm Hansmann hatten den Gedanken an den BVB-Vorstand herangetragen. Die Überlegung: Nach den Schrecknissen und Wirren des 2. Weltkriegs konnte der Sport, in diesem Falle der Massensport Fußball, eine wichtige Rolle in der beginnenden Aussöhnung der Völker übernehmen. Außerdem war Deutschland international im Sport wieder gesellschaftsfähig geworden und durfte 1952 in Oslo und in Helsinki nach mehrjähriger Wartezeit an den Olympischen Spielen teilnehmen.

Der BVB-Vorstand nahm die politische Anregung also gern auf und begann,  einen “Brückenzyklus“ zu initiieren. Da bot es sich förmlich an, das Profiteam von Le Havre nach Dortmund zu bitten, einen fußballerischen Repräsentanten des “Erzfeindes” Frankreich.

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Der Wimpel des BVB-Gegners Le Havre

Am 19. April 1952 war es soweit: Der renommierte Gast lief in die “Rote Erde” ein. Für die Borussen unter ihrem Trainer Hans “Bumbas” Schmidt war das Freundschaftsmatch auch sportlich eine interessante Standortbestimmung. Le Havre gab nämlich einen imponierenden Einblick in die Stärken des französischen Fußballs. Große Schnelligkeit, eine erstaunliche Ballbehandlung, ausgezeichnetes taktisches Geschick - Tugenden, die den Beifall der 18.000 Besucher geradezu herausforderten. Borussia hielt dagegen, hielt mit. Das Match endete schließlich schiedlich-friedlich 2:2.

In der zweiten Halbzeit wurde munter ausgewechselt. So kam auch ein junger Mann zu seinem Einsatz, der später drei Mal mit den Schwarz-Gelben Deutscher Meister werden sollte: Willi Burgsmüller, der 1956, 1957 und 1963 - zuletzt sogar als Kapitän seines Teams - in den Genuss von Meisterehren kam.

Einen knappen Monat später spielte der schottische Meister Hibernian FC Edinburg vor 30.000 Besuchern in Dortmund. Der BVB unterlag knapp mit 1:2. Allerdings entwickelte sich vor den Augen der Fans eine Partie auf höchstem Niveau, wie sie selbst die “Rote Erde” in ihrer Geschichte ganz selten erlebt hat. Die Schotten spielten witzig und spritzig und ließen erkennen, dass auf der Insel großer Fußball geradezu zelebriert wurde.

Auch in diesem Spiel hielt der BVB beachtlich mit und hatte in Schanko und Hänschen Flügel seine herausragenden Akteure.

Die Partie BVB - Skeid Oslo führte im Juni 1952 eine norwegische Mannschaft nach Westfalen. Das Spiel kam durch die Vermittlung von Kurt Plener, einem renommierten Dortmunder Journalisten, zustande. Dass die Begegnung 5:3 für Borussia endete, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Jedenfalls feierten die Akteure nach den 90 Minuten bei westfälischem Eisbein mit Sauerkraut eine rauschende internationale Sportbegegnung.

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Wladimir Beara, einer des besten Torhüter der 1950er Jahre weltweit

Gleich zu Beginn der neuen Spielzeit stellte sich der nächste internationale Gegner in Dortmunder vor: Hayduk Split kam, sah und siegte Mitte August 1952. 3:1 für den Gast hieß es am Ende der 90 Minuten. Die Silbermedaillengewinner von Helsinki Luscica, Vukas und Beara stachen aus der Elf, die große Klasse demonstrierte, noch heraus. Insbesondere Torhüter Wladimir Beara, oft als “Ballettmeister zwischen den Pfosten“ bezeichnet, demonstrierte im Kasten des Gegners absolute Weltklasse.

Auch in den folgenden Jahren kam der BVB seiner selbst gestellten Aufgabe nach, den Sport für die internationale Aussöhnung zu nutzen. So machte man beispielsweise 1953 eine viel beachtete Tournee durch England und reiste als “Botschafter des Fußballs” nur ein Jahr später durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika.

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1954 reiste der BVB nach England und spielte dort gegen Luton Town.

7. 6. 1952: Stade Reims zu Gast in Dortmund - „Rastelli“ Raimond Kopa brillierte - Superstars in der Roten Erde

Zu den Teams, die im Rahmen der Mission Aussöhnung im Stadion Rote Erde gegen die Schwarz-Gelben antraten, gehörte auch der französische Erstligist Stade Reims,.

15.000 Fans kamen Mitte Juni in die „Kampfbahn“, und niemand wurde enttäuscht. Der BVB gewann in einer begeisternden Partie mit zahlreichen Höhepunkten gegen die Profis aus dem Nachbarland letztlich verdient mit 4:2. Niepieklo (2), Schanko und Erdmann erzielten die Treffer für den BVB. Die beiden Tore für den Gast markierte ein gewisser Raimond Kopa, Sohn polnischer Einwanderer nach Frankreich und gerade einmal 20 Jahre jung, der exzellent aufspielte und mit herrlichen „Rastelli-Tricks“ die Besucher begeisterte.

Dieser Raimond Kopa, Geburtsname Kopaszewski (13. 10. 1931 – 3. 3. 2017), war einer der besten Kicker der gesamten Geschichte des Fußballs. Seine eindrucksvolle sportliche Vita in Stichworten:

Französischer Nationalspieler, französischer Meister 1953, 1955, 1960 und 1962, drei Mal Frankreichs Sportler/Fußballer des Jahres, spanischer Meister mit Real Madrid 1957 und 1958, Gewinner des Europapokals der Landesmeister mit Real Madrid 1957, 1958 und 1959, Europas Fußballer des Jahres 1958 und 1970 - praktisch als Krönung einer einzigartigen Karriere - Ritter der französischen Ehrenlegion und damit in den Adelsstand erhoben, vergleichbar mit dem englischen „Sir“. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac beförderte ihn 2007 sogar vom Ritter der Ehrenlegion zum „Offizier“. Kopa war ohne Frage Frankreichs erster „Sonnenkönig“ des Fußballs, lange vor Michel Platini und Zinedine Zidane.

Raimond Kopa, als Underdog und Migrant eigentlich ohne Perspektive in der neuen Heimat Frankreich, legte einen außergewöhnlichen Ehrgeiz an den Tag und schaffte einen geradezu sagenhaften sportlichen und gesellschaftlichen Aufstieg. Ausgestattet mit einem starken sozialen Gewissen, engagierte er sich später nachdrücklich für die Belange unterprivilegierter Zeitgenossen.

In diesem Zusammenhang sei einmal ein Blick auf weitere herausragende internationale Superstars gestattet, die zwischen 1926 und 1974 in der „Roten Erde“ zu Gast waren.

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Bernd Trautmann, die Torwartlegende

Bernd Trautmann (Man City), Lorenzo Buffon (AC Mailand), Wladimir Beara (Roter Stern Belgrad), Bobby Moore (West Ham United), Giacinto Faccheti (Inter Mailand) Tarcisio Burgnich

(Inter), Martin Peters (West Ham United), Matthias Sindelar (Austria (Ostmark) Wien), Nils Liedholm  (AC Mailand),  Dennis Law  (ManU), Duncan Edwards (ManU), Tommy Taylor (ManU), George Best (ManU), Josef Masopust (Dukla Prag), Branko Zebec (Partizan Belgrad) und Luis Suarez (Inter Mailand) gehören dazu und seinen hier beispielhaft genannt.

Zu jedem dieser Weltklasse-Kicker könnte man ein ganzes Buch schreiben; jeder von ihnen hat nationale und internationale Titel zuhauf gesammelt.

Drei bislang noch nicht aufgeführte „Helden des runden Leders“ wollen wir im Kontext mit Raimond Kopa etwas ausführlicher vorstellen, denn sie wurden ebenso wie der legendäre Franzose in ihrem Heimatland England in den Adelsstand erhoben und durften sich anschließend stolz „Sir“ nennen:

Sir Alf Ramsey, Tottenham Hotspur

Englischer Nationalspieler, Englischer Meister 1951 mit Tottenham Hotspur, Trainer der englischen Weltmeister-Mannschaft 1966.

Bekanntester Spruch: „Never change a winning Team“.

Der großartige Abwehrspieler kam 1950 mit Tottenham nach Dortmund und siegte in der Roten Erde mit 4:1. Später berichtete er aber, dass der BVB so eindrucksvoll agiert habe, dass sich die „Spurs“ den Borussen-Stil zum Vorbild für die eigene Spielweise gemacht hätten. Mit Erfolg, denn die „Heißsporne“ wurden 1953 mit dem „BVB-Stil“ englischer Meister.

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Sir Bobby Charlton, der Superstar von ManU, 1997 auf dem Alten Markt zu Dortmund. Links: Gerd Kolbe, Autor dieser Dokumentation.

Sir Bobby Charlton, Manchester United

Englischer Nationalspieler, Weltmeister 1966, Gewinner des Europapokals der Landsmeister 1968, englischer Meister 1957, 1965, 1967, Gewinner des FA Cup 1963, englischer Fußballer des Jahres 1966, Europas Fußballer des Jahres 1966.

Sir Bobby saß 1956 im ersten BVB-Spiel im Europapokal der Landesmeister 1956 beim 0:0 seines Teams Manchester United in Dortmund als Youngster noch auf der Ersatzbank.

Am 11. 11. 1964 allerdings, beim 6:1-Sieg seines Teams über den BVB im Messepokal, zog er im Mittelfeld meht als nur gekonnt die strategischen Fäden. Im Februar 1958 überlebte er im Gegensatz zu vielen seiner Mitspieler den schrecklichen Flugzeugabsturz in München-Riehm, an den noch heute höchst eindrucksvoll im ManU-Stadion Old Trafford erinnert wird.

Sir Geoffrey Hurst, West Ham United

Englischer Nationalspieler, Weltmeister 1966, erster Spieler, der in einem WM-Endspiel drei Tore (laut Hans Tilkowski zwei) erzielte, Gewinner des Europapokals der Pokalsieger 1965 und des englischen FA Cups 1964.

Sir Geoffrey dürfte keine so guten Erinnerungen an die Rote Erde haben, schied er doch hier mit West Ham im Frühjahr 1966 im Halbfinale des Europapokals der Cupsieger mit 1:3 aus dem Wettbewerb aus. Der BVB gewann anschließend am 5. 5. 1966 das Finale in Glasgow mit 2:1 gegen den FC Liverpool und holte damit als erste deutsche Mannschaft einen Europapokal.

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Die Rote Erde als Box-Arena

20. Juli 1952: 50.000 in der “Roten Erde” - Heinz Neuhaus verteidigt EM-Titel nach 51 Sekunden

Die “Kampfbahn” verdankt ihren weltweiten Ruf dem Fußball, der Leichtathletik und dem Boxen. Zwischen 1950 und 1955 fanden hier sechs  Box-Großkampftage statt. Sie lockten insgesamt etwa 200.000 Besucher und zahllose internationale Sportkorrespondenten in die renommierte Arena.

Boxen war in Dortmund seit den Tagen von Max Schmeling höchst beliebt. “Der Max” war 1927 in der Westfalenhalle Europameister im Halbschwergewicht geworden und hatte hier seine Weltkarriere begründet.

Nun stand ein anderer im Ringgeviert: Heinz Neuhaus aus Hombruch, ein echter Lokalmatador, Kategorie ”Schwergewicht”, liebevoll “ Dicker” genannt. Ausgestattet mit einer fürchterlichen  “Rechten”. Ein spektakulärer K. O. lag immer in der Luft. Das liebten die Fans.

 

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50.000 Boxfans erlebten den Kampf zwischen Heinz Neuhaus – Hein ten Hoff.

Neuhaus war Europameister. Und genau um diesen Titel ging es am 20. Juli 1952. Sein Gegner: Der hünenhafte Hein ten Hoff aus Hamburg, seines Zeichens Deutscher Meister. 1950 hatte er gegen den mittlerweile amtierenden Weltmeister Jersey Joe Walcott umstritten nach Punkten verloren - jetzt wollte er den Gürtel des  Europameisters erobern.

Der Fight war witterungsbedingt um eine Woche verschoben worden.

Die Boxfreunde strömten in hellen Scharen in die Rote Erde 47.600 Karten waren verkauft worden. Mehrere Tausend weitere hatten sich auf Schleichwegen den Zugang zur “Roten Erde” verschafft. Dann schritt die Polizei ein und riegelte das Gelände hermetisch ab. 50.000 - das war genug!

Als nach neun Vorkämpfen bei bestem Boxwetter die beiden Hauptkämpfer den Ring betraten, ging ein Raunen durch die Massen. Auch die US-amerknischen Veranstalter hatten ihre Spione geschickt.  Das konnte nur eines bedeuten: Der  Sieger von Dortmund würde alle Chancen haben, Weltmeister Walcott herauszufordern.

All jene, die sich zu Beginn des Kampfes noch ein Bier oder ein Würstchen holten, hörten zwar noch den Gong zur ersten Runde, vom Kampf selbst sahen sie allerdings nichts mehr. Denn schon nach 51 Sekunden fand der rechte “Hammer” des Titelverteidigers fulminant sein Ziel. Traf neben der Halschlagader auch noch das Kinn ten Hoffs und zeitigte entsprechende Wirkung: Der Hamburger knickte ein, fiel unglücklich und brach sich das Wadenbein. Schwer geschlagen hockte er anschließend völlig bewegungsunfähig auf seinem Ringschemel. Heinz Neuhaus hingegen nahm die Ovationen “seines” Publikums entgegen. Und auch die Gäste aus Amerika merkten an, eine solche Rechte nur ganz selten in ihrem Leben gesehen zu haben. Trotz aller Begeisterung der Jungs aus Übersee: Einen Weltmeisterschaftskampf boten sie Heinz Neuhaus nicht an. Vielleicht war dessen Rechte zu gut.....

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1953 präsentierte sich die „Kampfbahn“ mit neuer Tribüne. Die letzten Kriegsschäden waren beseitigt.

30. August 1953: Die Wiedergeburt der „Roten Erde“

Der 30. August 1953 war für den Dortmunder Sport ein besonderer Freudentag. Das lag weniger daran, dass der BVB an diesem Sonntag im Auftaktspiel der Oberliga-West-Saison 1953/54 Preußen Dellbrück sicher mit 4:0 besiegte, als vielmehr an der Tatsache, dass das Stadion „Rote Erde“ endlich alle Kriegsfolgen bewältigt hatte und mit der Eröffnung der neuen Tribüne quasi seine Wiedergeburt feierte.

Der Ausbau war erforderlich geworden, weil sich die Stadt Dortmund für die Sudenten-Weltspiele, die mit  der „Wiedergeburt“ des Stadions in der Roten Erde stattfanden, erfolgreich beworben hatte.

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Deutschland wird in der Roten Erde Handball-Weltmeister.

7. Juli 1955: Deutschland Feldhandball-Weltmeister

Dortmund hatte sich mit reichlich Flaggenschmuck herausgeputzt. Fand an diesem von der Sonne freundlich begleiteten Sonntag, dem 10. Juli 1955, doch in der Kampfbahn „Rote Erde“ die erst zweite Weltmeisterschaft der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg und der Staatsgründung 1949 statt.

Zur Erinnerung: Deutschland war nach dem unseligen 2. Weltkrieg bis 1950 von allen internationalen Sportereignissen ausgeschlossen und durfte auch als Ausrichter nicht in Erscheinung treten. Nachdem der Bann gebrochen war, spielte der Standort Dortmund eine durchaus herausgehobene Rolle. Im Juli 1952 fand in der Roten Erde die erste Europameisterschaft (im Boxen) und im Oktober 1952 in der Westfalenhalle die erste Weltmeisterschaft (im Rollkunstlauf) der Bundesrepublik statt, 1953 folgten die „Studenten-Weltspiele“ in der „Kampfbahn“ und an besagtem 10. Juli 1955 mit dem Feldhandball-WM-Finale an gleicher Stelle der Höhepunkt der gesamten Stadiongeschichte bis zur Gegenwart.

Deutschland traf einmal mehr auf die Schweiz, seit Jahrzehnten der „ewige“ Handball-Rivale. Sage und schreibe 50.000 Besucher*innen – unter ihnen der Autor dieser Zeilen – füllten das Stadion-Rund – eine geradezu unvorstellbare Kulisse. Schon früh am Tag waren die Straßen vom Hauptbahnhof über die City bis hin zum Stadion bestens gefüllt mit „Schlachtenbummlern“ beider Teams, denn auch aus der Schweiz waren zahlreiche Fans angereist. Feldhandball, heute nahezu unbekannt, war damals eine ganz große Nummer im internationalen Sportgeschehen.

Das Ereignis war derart bedeutsam, dass die Partie von der ein Jahr zuvor aus der taufe gehobenen „Eurovison“ live in die angeschlossenen Länder Europas übertragen wurde. Damit wurde der Sport für Dortmund einmal mehr ein wichtiger Imagefaktor über die Landesgrenzen hinaus.

Deutschland gewann, angetrieben vom siebenfachen Torschützen und besten Handballer der Welt Bernhard Kempa (man schwärmt heute auch im Hallenhandbal immer noch von dem berühmten Kempa-Trick) von Frisch Auf Göppingen, assistiert von den Ausnahmekönnern Hein Dahlinger, Werner Vick und Horst Singer, trotz erbitterter Gegenwehr der Eidgenossen letztlich souverän mit 25:13 Toren und verteidigte damit den 1952 in der Schweiz errungenen Weltmeistertitel.

Die Presse sprach euphorisch von deutschen „Traumkombinationen im Sprint“ und überschlug sich mit Lobeshymnen. Das Dortmunder Finale wird nicht ohne Grund als das beste Feldhandballspiel aller Zeiten bezeichnet.

Weltmeister für Deutschland wurden: Nellen, Heinz Singer, Becker, Bernhard, Dahlinger, Isbeck, Käsler, Kempa, Rulf, Schädlich, Horst Singer, Strahler, Vick, Wankl, Will, Winterlin, Fromm.

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Fußball-Vorschau für das Qualifikationsspiel zum Europapokal 1956 gegen Spora Luxemburg.

1. August 1956: Europapokal-Premiere: BVB gegen Spora Luxemburg

Als Borussia Dortmund, der Deutsche Meister 1956, zum ersten Mal in der europäischen Königsklasse antreten durfte, hieß der Wettbewerb noch „Europapokal der Landesmeister“ und war in der Tat nur den „echten“ Meistern der europäischen Ligen vorbehalten. Vieles hat sich seitdem geändert....

Der 1. August 1956 war für Borussia Dortmund von besonderer Bedeutung. An diesem Mittwochabend nämlich begann vor 20.000 Besuchern im Stadion „Rote Erde“ die Europapokalgeschichte des BVB, die bis heute als Höhepunkte zwei stolze Europacupsiege – 1966 Europapokal der Cupsieger und 1997 Champions-League –  Sieger - aufweist.

Der Gegner hörte auf einen wenig klangvollen Namen. Aber: „Dieses Vorspiel um die Qualifikation zum Europa-Pokal am ersten Tag der neuen Spielzeit bereicherte unsere Kenntnis von einer im Verborgenen blühenden erstklassigen Mannschaft. Spora aus der Hauptstadt des 300.000 Bewohner zählenden Großherzogtums Luxemburg überraschte uns durch ein brillantes Spiel“. So hieß es in der BVB-Vereinszeitschrift von damals. In der Tat waren alle Fans im Stadion von den sprichwörtlichen Socken, dass der krasse Außenseiter zur Pause mit 2:1 führte. Und das, obwohl die Schwarz-Gelben in exakt der Aufstellung antraten, die kurz zuvor Deutscher Meister geworden war. Okay: bis zum Ende der 90 Minuten stand es dann 4:3 für den BVB nach Toren von Helmut Bracht, Alfred Niepieklo und Ady Preißler (2) für den BVB und drei Treffern von Borreux für den Gast. Aber man war gewarnt! Das Rückspiel würde kein Zuckerschlecken werden.

Festzuhalten wäre: Das erste Tor in einem Europapokalwettbewerb für den BVB erielte der linke Läufer (WM-System) Helmut „Jockel“ Bracht!

Und tatsächlich erlebte der BVB in Luxemburg eine unliebsame Überraschung: Ersatzgeschwächt unterlag er mit 1:2. Aber unter welchen Umständen hatte man anzutreten! Noch am Tage zuvor (Mittwoch, 5. 9. 56), hatten die Borussen in Köln gegen den dortigen FC zu spielen. Dieses Meisterschaftsspiel der Oberliga West gewannen sie nach rasantem Verlauf mit 4:3. Nur 24 Stunden später mussten sie in Luxemburg auflaufen. Das wäre heute zu recht ein absolutes Ding der Unmöglichkeit. Borussia spielte technisch besser, Spora hielt mit unbändiger Kampfkraft dagegen. Das Endergebnis: 2:1 für die Heimmannschaft – den BVB-Treffer erzielte Ady Preißler – stand schon zur Halbzeit fest.

Also musste zehn Tage später ein drittes und damit entscheidendes Match her. Jetzt zeigte der Deutsche Meister seine wahre Klasse und entzauberte den „Fußballzwerg“ mit 7:0.

Die Auslosung der UEFA bescherte dem BVB ein Kontrastprogramm par exzellence! Manchester United hieß der großartige nächste Gegner von der Insel, die legendäre Mannschaft des Trainer Matt Busby. Die sogenannten „Busby-Babes“. Neben Real Madrid die anerkannt beste Mannschaft Europas. Das verhieß großen Fußball!

Und das brachte großen Fußball!!!

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Ticket für das legendäre Europapokalspiel 1956 gegen ManU.

November 1956: Manchester United Gegner im Europacup

Der Mann, der Anfang  April 1997 auf die Bühne des Fan-Treffs vor dem Champions-League-Spiel BVB - Manchester United kam, war ein echter “Sir”. Sein Name: Bobby Charlton, Herzstück der englischen Weltmeisterelf von 1966, von der Queen in den Ritterstand erhoben. Sein Auftritt auf dem Alten Markt war von überwältigender Noblesse. In der Tat: Hier stand und sprach ein Sir.

Bobby Charlton war nicht allein gekommen. Er hatte seinen früheren Mitspieler Alan McGuinness mitgebracht.

Charlton, Mc Guinness? Diese beiden Namen weckten Erinnerungen. An ein Ereignis, das am 6. Februar 1958 nicht nur die Sportwelt erschütterte.

ManU, neben Real Madrid damals die führende europäische Fußballmannschaft,  hatte in Belgrad ein Europapokalspiel bestritten. Das 3:3 bedeutete für die Briten die nächste Pokalrunde.

Der Unglückstag war bereits von düsteren Vorahnungen überschattet. Keiner wollte fliegen, alle hatten wegen der schlechten Witterungsverhältnisse schwere Bedenken. Ein Spieler hatte sogar - bewusst - seinen Pass im Hotel vergessen, um sich am Flug vorbeizudrücken. Es half alles nichts: Der Start wurde verschoben, der Pass per Taxi geholt. In München gab es gegen 13.00 Uhr einen Zwischenstopp zum Auftanken. Mit Verspätung rollte das Flugzeug um 15.04 Uhr zum dritten Startversuch an die Startbahn.

Der Start misslang - wahrscheinlich wegen vereister Flügel. Die Maschine gewann nicht an Höhe, sondern raste im Schneesturm über die Abzäunung hinaus in die dortigen Häuser. Die schreckliche Bilanz: 23 Tote, darunter acht ManU-Spieler. Zu ihnen gehörten Duncan Edwards, das größte Talent des englischen Fußballs überhaupt, Tommy Taylor, der brillante Mittelstürmer, Roger Byrne, Eddie Colmanund, David Pegg.

Einige überlebten: Bobby Charlton, Gesprächspartner auf der Fan-Treff-Bühne 1997, Alan McGuinness, den er mitgebracht hatte, der großartige Torhüter Harry Gregg und Trainerlegende Matt Busby gehörten dazu.

Im Gespräch erzählte Bobby Charlton, dass der damals erst 21-jährige Duncan Edwards der beste Fußballer gewesen sei, den er jemals gesehen hätte.

Manchester befand sich wochenlang in einem tiefen seelischen Notstand. Später errichtete man am Stadion „Old Trafford“ eine Gedenkstätte mit dem geborstenen Rumpf der Unglücksmaschine und einer großen Uhr, die die Todesminute der unvergesslichen Fußballhelden anzeigt.

Auch die Dortmunder Borussen waren konsterniert, als sie  die tragische Nachricht  erhielten. Sie erinnerten sich lebhaft an zwei unvergessliche Europacupspiele mit den Verunglückten. Der knappen Niederlage in Manchester (2:3, als Held von Manchester ging Keeper Heini Kwiatkowski in die Sportgeschichte ein) folgte das höchst achtbare 0:0 in der Roten Erde, bei dem das Dortmunder Flutlicht seine Premiere feierte. Max Michallek, der herausragende BVB-Mittelläufer, beherrschte in diesem Match sogar den Superstar Tommy Taylor. Bobby Charlton, noch keine 20 Jahre alt, saß auf der Ersatzbank. McGuinness hingegen erlebten die 45.000 Besucher in Dortmund „live“. Im Busby-Team stand auch Duncan Edwards, der noch heute als das größte fußballerische Talent Englands aller Zeiten angesehen wird.

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Ehrende Briefmarke für das überragende ManU-Talent Duncan Edwards

Matt Busby und Manchester United benötigten fast ein Jahrzehnt, um wieder eine europäische Spitzenmannschaft zu formen und die Münchener Tragödie sportlich zu verkraften. In den Herzen der ManU-Fans jedoch hat die verunglückte Mannschaft  einen  Platz gefunden, der nahezu kultische Züge trägt.

28.12.1959 „Max und Moritz“ schlagen zu - Der indirekte Elfer gegen Viktoria Köln

Die knapp 10.000 Besucher in der „Roten Erde“ genossen unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen das letzte Oberligaspiel des Jahres und das erste Match der Rückserie der Saison 1959/60 gegen Viktoria Köln in vollen Zügen. Der BVB, angetrieben von dem unermüdlichen Mittelfeldakteur Wolfgang „Sulli“ Peters, dominierte die Partie nach Belieben und hatte sich bis kurz vor Schluss eine souveräne 5:1-Führung erspielt. Es wirkte alles leicht, locker und entspannt, was der BVB an diesem Tag regelrecht zelebrierte. Die  Treffer hatten bis zur 70. Minute  Friedhelm Konietzka (2),  Jürgen Schütz, Aki Schmidt und Regisseur  Wolfgang Peters bei einem Gegentreffer von Giegeling erzielt. Doch noch war das Match nicht beendet. Das Beste sollte noch kommen. Praktisch unmittelbar vor dem Schlusspfiff ging die Hand von Kölns Abwehrspieler Wagner für jeden sichtbar zum Ball. Keine Frage, Elfmeter!

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Timo Konietzka und Jürgen Schütz, wegen ihrer fußballerischen Streiche auch „Max und Moritz“ genannt.

Friedhelm „Timo“ Konietzka schnappte sich das Leder und legte es auf dem ominösen Punkt. Nach einem gut fünf Meter langen Anlauf holte er weit aus. Das sah nach einem fulminanten Schusses auf das von Genthe gehüteten Tor der Viktorianer aus. Doch weit gefehlt!  Denn Schlitzohr Konietzka legte den Ball sachte und sanft diagonal seinem kongenialen Partner Jürgen „Charly“ Schütz vor, der sich in einer offensichtlich abgesprochenen Lauerstellung direkt an der Linie des „Sechzehners“ befand. Schütz flitzte los, zog ab und verwandelte souverän.

Großes Erstaunen auf den Rängen, ähnlich großes Erstaunen auch bei den Unparteiischen, die sich in der Platzmitte versammelten, aber nach kurzer Beratung den Treffer anerkannten. Alle regelgerecht! Also 6:1 für den BVB. Ein Kantersieg! Und dann dieser spektakuläre Schlussakkord als Höhepunkt! So etwas wie diesen indirekten Elfer hatte man genau genommen noch nie gesehen. Er setzte einen wirklich sensationellen Schlussstrich unter diese Partie, mit der der BVB in die Rückrunde der Saison 1959/60 startete, die den Borussen in der Endabrechnung den dritten Platz in der Oberliga West einbrachte.

Jürgen Schütz und Friedhelm Konietzka waren vor etwa sechs Jahrzehnten die erklärten Idole der Dortmunder Fußballfans. Sie verzauberten mit ihrer unnachahmlichen Art Fußball zu spielen praktisch alle, die es mit den Schwarz-Gelben hielten.

Technisch überragend, voller Esprit, schnell, torgefährlich, so gut wie nicht zu bremsen. Diese Attribute charakterisieren sie, die in vollendeter Manier miteinander harmonierten, treffend. Was die beiden Superkicker auf den grünen Rasen veranstalteten, war allererste Sahne. Dass sie ihre Gegner häufig genug mit schelmischem Humor düpierten, brachte ihnen die anerkennende Bezeichnung „Max und Moritz“ ein.

Ihre ersten Gehversuche beim BVB machten sie 1959 unter Trainer Max Merkel, dem Verfechter von „Zuckerbrot und Peitsche!“ Der Jürgen kam von Urania Lütgendortmund, der „Timo“ – den Spitznamen verpasste ihm Helmut „Jockel“ Bracht -  von Lünen 08 zum Borsigplatz.

So richtig rund ging es dann in der Spielzeit 1959/60. Die Fußball-Zwillinge schossen Tore wie vom Fließband: Schütz kam auf 31, Konietzka auf 27 Treffer.

 In den folgenden Spielzeiten ein ähnliches Bild. Schütz wurde 1960, 1961 und 1963 Torschützenkönig der Oberliga West, Konietzka folgte stets knapp dahinter.

Gemeinsam wurden die Supertechniker 1963 mit dem BVB noch Deutsche Meister, dann trennten sich ihre Wege, da Jürgen Schütz zum AS Rom nach Italien wechselte.

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Die Rote Erde 1958

14. Juni 1958: FV Hombruch 09 Deutscher Amateurmeister 1958 - Hombruch macht „Dortmunder Dreier“ perfekt

Der 14. Juni 1958 war ein Sonntag. Und einmal mehr strömten die Fußball-Enthusiasten aus Dortmund und der Region in die Kampfbahn „Rote Erde“ . Insgesamt zählte man 22.000 Besucher. Der Grund für die „Völkerwanderung“ war  das erste Endspiel um eine Deutsche Fußballmeisterschaft in Dortmund überhaupt. 

Beteiligt war aber keineswegs der BVB, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern der FV Hombruch 09 aus dem Süden der Stadt.

Die Geschichte in Kürze: Nachdem die Hombrucher  in der Saison 1957/58 am letzten Spieltag in Dahlhausen den Staffelsieg der Verbandsliga Westfalen errungen hatten, ging es Schlag auf Schlag: Zwei Siege gegen die SpVgg Erkenschwick - der Lohn war die Westfalenmeisterschaft .

Es folgte die „Westdeutsche“. TuS Lintfort und Bergisch Gladbach 09 blieben hierbei „auf der Strecke“. Jetzt winkte sogar die „Deutsche“. Auf dem Weg ins Endspiel hatte Berlins Vertreter Rapide Wedding mit 0:2 das Nachsehen. Und schon war der 14. Juni 1958 in der Roten Erde erreicht. Voller Begeisterung erlebten die 22.000, wie die Jungs aus Hombruch mit dem Rückenwind des Heimvorteils den renommierten ASV Bergedorf 85 mit 3:1 schlugen.  Dortmund war zum dritten Mal in Folge fußballerisch aus dem Häuschen: 1956 und 1957 hatten die Borussen die Fans in Westfalen mit ihrer legendären „Doppelmeisterschaft in identischer Aufstellung“ förmlich verwöhnt. Und nun schaffte auch der FV Hombruch, ebenso wie die Schwarz-Gelben im großen Gründungsjahr 1909 entstanden, eine Deutsche Meisterschaft. Insbesondere im Stadtbezirk Hombruch feierte man lange und anhaltend....

Die Helden von 1958 waren: Burgsmüller, Ullrich, Legre, Czidzik, Schulte-Braucks, Meinsen, Thiele, Schürmann, Prothmann, Schmidt und Jördens.

Hombruchs Torhüter Hermann Burgsmüller ist übrigens der Bruder des dreifachen Deutschen Meisters und BVB-Mannschaftskapitän Willi Burgsmüller. Wenn die Burgsmüllers Familienfeste haben, dann geht es also meisterlich rund!

An den Erfolg der Deutschen Meisterschaft konnte später nicht mehr angeknüpft werden. Landesliga, Verbandsliga, Landesliga, Bezirksliga, Verbandsliga, Landesliga. So hießen weitere sportliche Stationen in den folgenden Jahrzehnten mit einem kontiunuierlichen Auf und Ab. 2002 folgte die Fusion mit dem FC Eintracht Hombruch zum Hombrucher SV 09/72, der sich durch eine gute Jugendarbeit und ein beachtliches Engagement im Damenfußball auszeichnete. Immerhin gingen mehrere namhafte Erst- und Zweitligaspielerinnen wie Carolin Dej, Jacqueline Klasen, Lina Maguli, Sonja Speckmann und Isabelle Wolf aus dem Club hervor.

Das heutige Aushängeschild des Clubs sind die B-Junioren, die in der Bundesliga kicken.

Zu den herausragenden Cracks der Vergangenheit gehörten Torhüter Manfred Martinschledde und Sturmtank Kurt Prothmann. Martinschledde, der Anfang der 1960er Jahre nach Hombruch kam, tauchte rasch im Notizbuch von Helmut Schön auf. Der leider kürzlich verstorbene Malermeister mit seiner sagenhaft stoischen Ruhe brachte es immerhin auf acht Einsätze in der Deutschen Amateur-Nationalmannschaft.

Drei Jahre - von 1949 bis 1952 – spielte Hombruch in der II Division auf der Grundlage des Vertragsspielerstatuts. Der „Star“ war damals der ausgesprochen torgefährliche Kurt Prothmann, der mit 23 Treffern Torschützenkönig seiner Liga wurde.

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Eintrittskarte zum „Spiel des Jahrhunderts“

4. Dezember 1963:  BVB - Benfica Lissabon 5:0 - Das unvergessliche Spiel des Jahrhunderts

Auf den Rängen des Stadions “Rote Erde” drängten sich am 4. Dezember 1963 gut 45.000 begeisterte Besucher. Unter ihnen die elf Bergleute, die knapp einen Monat zuvor durch das tragische Bergwerksunglück von Lengede verschüttet und Tage später höchst spektakulär gerettet worden waren.  Diese Aktion ist als das “Wunder von Lengede” in die Geschichte eingegangen.

Der BVB hatte die elf Geretteten als Ehrengäste zum Europapokalspiel gegen Benfica Lissabon eingeladen. Damit besaß man den bestmöglichen Glücksbringer überhaupt, wie sich später herausstellte.

Die Fußballfans in ganz Deutschland warteten gespannt auf den Auftritt von Benfica, den zweifachen Europapokalsieger und Gewinner des Weltpokals, denn oft hatte man die beste Mannschaft der Welt ja nicht zu Gast.

Doch schön der Reihe nach:

Dank des Helden von Lissabon, wie Hans Tilkowski später genannt wurde, verlor Borussia das Hinspiel Anfang November nur mit 1:2. Da Benfica, das legendäre Team von Eusebio und Coluna, in Lissabon einen tollen Angriffswirbel hingelegt hatte, war Trainer Ceisler felsenfest davon überzeugt, dass sein Team das Rückspiel Anfang Dezember ebenfalls siegreich gestalten würde. Er war sich so sicher, dass er es dem leicht angeschlagenen Eusebio frei stellte, ob er spielen wollte oder nicht. Motto: Es wird auch ohne ihn gehen. Eusebio winkte ab, gönnte sich ein “Päuschen”..

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Benficas Weltstar Eusebio

Der 4. Dezember 1963 war ein bitterkalter Wintertag. Das schmeckte den Gästen von der iberischen Halbinsel gar nicht. Sie waren auch im Winter an angenehmere Temperaturen gewöhnt. Der BVB spielte sich in einen regelrechten Rausch hinein, wollte den 45.000 im Stadion sowie den Millionen Fernsehzuschauern der ARD, die das Match zeitversetzt genießen konnten, etwas ganz besonderes bieten. Das gelang trefflich! Die auch in den Bäumen und auf dem legendären Musikpavillon auf der Osttribüne sitzenden Fußballfreunde kamen voll auf ihre Kosten. Gewandet in die legendären “Flutlicht-Trikots” trumpfte der BVB im Stile eines Weltklasseteams auf. Nachdem man sich eine halbe Stunde lang auf hohem Niveau “abgetastet” hatte, ging`s rasant zur Sache:

Das 1:0 markierte “Schlitzohr” Timo Konietzka (35.) in seiner unnachahmlichen Art mit einem platzierten Kopfball. Dann folgten die berühmten drei Treffer von “Goldköpfchen” Franz Brungs, der sich nachdrücklich in die Annalen des Europapokals eintrug. Das abschließende fünfte Tor ging auf Reinhold Wosabs Konto. Hinzu kommen mehrere Latten- und Pfostenschüsse, die das Ergebnis noch katastrophaler für die Gäste hätten werden lassen können.

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Hoppy Kurrat und Timo Konietzka nach dem 5:0 über Benfica auf den Schultern der Fans

Benfica war so konsterniert, dass man selbst zum offiziellen Bankett nach dem Spiel im Hotel “Römischer Kaiser” eine ganze Stunde zu spät kam. So lange musste man sich sammeln und die Niederlage sacken lassen.

Borussia feierte an diesem 4. Dezember 1963 den größten Triumph der bisherigen Vereinsgeschichte. Einen Triumph, der bis heute unvergessen ist und um den sich zahllose Legenden ranken.

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“Kopfball-Ungeheuer” Hoppy Kurrat

12. 11. 1966: BVB – FC Schalke 6:2 - Der „Nebel des Grauens“ in der Roten Erde

Im Frühjahr 1966 erlebten die 40.000 in der Roten Erde einen 7:0-Sieg der Schwarz-Gelben mit sage und schreibe fünf Kopfballtoren. Das ist immer noch Bundesligarekord. Sogar der leider bereits verstorbene und unvergessene Hoppy Kurrat (1,61 m groß) schrieb sich in die Liste der „Kopfballungeheuer“ ein.

Zu einer der kuriosesten Begegnungen zwischen dem BVB und dem FC Schalke 04 kam es am 12. November 1966 in der Kampfbahn „Rote Erde“. 41.000 waren gekommen, um den ewig jungen Westschlager zu erleben. Und bereits in der ersten Halbzeit wurden zumindest die BVB-Fans nicht enttäuscht: Durch drei Treffer der bestens disponierten Lothar „Emma“ Emmerich (15., 21., 26. Minute) sowie ein Eigentor des Unglückswurms Friedel Rausch (24.) führte der BVB bereits 4:0, als FIFA-Schiedsrichter Gerd Hennig aus Duisburg zum Pausentee pfiff. Schalke drohte ein Desaster ähnlichen Ausmaßes wie zu Beginn des Jahres, als es mit dem 7:0-Kantersieg der Schwarz-Gelben an gleicher Stätte die bislang höchste Knappen-Klatsche aller Zeiten gegeben hatte.

Doch kaum waren die beiden Teams in den Kabinen verschwunden, senkte sich eine schier undurchdringliche Nebelwand über das Stadion. Man fühlte sich förmlich an den Kino-Hit „The Fogg – Der Nebel des Grauens“ - erinnert. Die Schalker frohlockten: Bei diesen erbärmlichen Sichtverhältnissen  würde Schiedsrichter Hennig die Partie mit Sicherheit abbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt wiederholen lassen. Gedacht, gesagt, geirrt. Denn der Pfeifenmann war keineswegs dieser Meinung. Gut, die Besucher sahen nicht mehr allzu viel. Aber der wackere Schiri vollbrachte eine äußerst respektable Laufleistung, war immer auf der Höhe des Balles, sah (angeblich) alles und war wohl auch der Einzige überhaupt unter den 41.000, der nach dem Schlusspfiff mit dem Brustton der Überzeugung sagen konnte:“Das Spiel endete 6:2 für den BVB“.

Auf den Rängen munkelte man, Hennig habe nach etwa einer Stunde Spielzeit  BVB-Keeper Bernhard Wessel gefragt: „Sag mal Bernd war der Ball gerade drin?“ Die spontane Antwort: „Natürlich nicht, Schiri: Das hätte ich Ihnen doch schon von mir aus gesagt.“

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Torschütze Reinhold Wosab

Die Torfolge der zweiten Halbzeit: Unmittelbar nach dem Wiederanpfiff erzielte BVB-Rechtsaußen Reinhold Wosab das 5:0, es folgten Neuser (50.) mit dem 5:1, Siggi Held (72,) mit dem 6:1 und Bechmann (78.) mit dem 6:2-Endstand.

Kein Wunder, dass in Dortmunds Kneipen dieses außergewöhnliche Derby noch über Wochen hinweg ausgiebig, wenn auch leicht „schalk(e)haft“, diskutiert wurde. Es blühte der vielzitierte Flachs. Ein überliefertes Bonmot lautet: Dieses Spiel hat der BVB auf eine eindeutig nebulöse Art und Weise gewonnen!“

Einen von verschiedenen Zeitungen angeregten Protest legten die Knappen nach  Rücksprache mit ihrem Anwalt allerdings erst gar nicht ein. 

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Eintrittskarte zum Länderspiel gegen Albanien

8. April 1967: Quali zur ersten Europameisterschaft: Deutschland - Albanien 6:0

Mit dem Qualifikationsspiel zur ersten Fußball-Europameisterschaft der UEFA zwischen  Deutschland und Albanien endete 1967 die - wenn auch bescheidene - Länderspielkarriere der Kampfbahn “Rote Erde”.

Man schrieb den 8. April 1967, als die Staatsamateure aus dem Lande der Skipetaren gegen die bundesdeutsche Formation mit den Jung-Weltstars Beckenbauer, Overath und Gerd Müller in Dortmund antraten. Nicht zu vergessen Europapokalsieger und Vize-Weltmeister Hans Tilkowski, der sein 39. und letztes Länderspiel absolvierte und damit Rekordnationalspieler der DFB-Torhüter wurde, sowie der eisenharte Abwehrrecke Willi Schulz aus Hamburg, der in diesem Match zum 50. Mal den Nationaldress überstreifte.

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Hans Tilkowski, Borussias Super-Torwart der 1960er Jahre

Es regnete in Strömen, als der finnische Schiedsrichter Hirvulemi die deutsche Premiere der soeben gegründeten Europameisterschaftsrunde anpfiff. Heftige Niederschläge hatten Dortmund schon in den letzten Tagen vor dem Spiel “beglückt”. Deshalb waren die Stadion-Manager vom Sportamt der Stadt auch nicht gerade angetan von der ultimativen Forderung der Gäste, am Abend zuvor in der “Kampfbahn” trainieren zu wollen. “Wenn nicht, dann reisen wir sofort wieder ab!” Eine Konsequenz, die man sich nicht leisten wollte. Tags darauf  präsentierte sich der Platz den 32.000 Besuchern mit knöcheltiefem Boden.

Keine leichten Bedingungen also für die Techniker des DFB, die allerdings sportlich nichts “anbrennen” ließen. Albanien hatte genau genommen keine echte Chance und unterlag - wenn auch etwas zu hoch - mit 0:6. Dabei unterstrich der spätere “Bomber der Nation” Gerd Müller vom FC Bayern München mit vier Treffern seine Extraklasse. Mit den restlichen zwei Toren schrieb sich „Hennes“  Löhr (1. FC Köln) in die Annalen des Spieles ein.

Der neue Rekordnationalspieler der Torhüter, Dortmunds “schwarzer Hans” Tilkowski, war seinem Team einmal mehr ein sicherer Rückhalt. Gutes Stellungsspiel, fangsicher und stark in der Strafraumbeherrschung. Tilkowski war wie eh und je die Zuverlässigkeit in Person. Und konnte sich anlässlich des abschließenden Banketts im “Römischen Kaiser” über die verdiente Ehrung durch DFB-Schatzmeister Jakob Koenen  freuen. Das war das würdige Ende einer großartigen Länderspielkarriere.

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Stadion-Vorschau auf ein legendäres Fußballspiel

6. 9. 1969: BVB – Schalke 1:1 oder: legendäre Hundebisse lassen grüßen

„Passt auf den Wiener auf!“ Mit dieser Schlagzeile machte am 6. September 1969 das „Borussen-Echo“ darauf aufmerksam, dass der Schalker Neuzugang „Hansi“ Pirkner aus Österreichs Hauptstadt ein gefährliches Bürschchen auf dem linken Flügel sei. Das hätten die Borussen beherzigen sollen, denn Pirkner bestätigte die mahnende Überschrift auf eindrucksvolle Art und Weise: Eine Ecke segelte herein, Pirkner war zur Stelle, BVB-Keeper Rynio hatte das Nachsehen, Schalke führte in der 37. Minute mit  1:0.

Hinter dem Tor hatten sich schon zu Spielbeginn zahlreiche Besucher aus Gelsenkirchen ein Plätzchen gesucht, die dort eigentlich nicht hin gehören. Eigentlich… Die Rote Erde war nämlich mit über 40.000 Besuchern so überfüllt, dass jeder danach gierte, gute Sichtmöglichkeiten zu erhaschen.

Nach dem Pirkner-Treffer rannten dann zahlreiche freudetrunkene Schalke-Fans auf das Feld und sorgten für eine höchst unübersichtliche Situation. Die BVB-Ordner, die mit einem ganzen Rudel herrlicher Deutscher Schäferhunde für Ruhe und Ordnung sorgen sollten und wollten, flitzten hinterher und versuchten, den Platz wieder von den Fans zu „befreien“! Leider trugen die Hunde keine Maulkörbe. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Tiere waren mit der Situation mental überfordert und bissen genervt in alle Richtungen. Dabei gruben sich die Zähne zweier Prachtexemplare in das Hinterteil von Friedel Rausch und in die Kniekehle von Gerd Neuser, beide vom FC Schalke 04.

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So stand der Skandal in der Zeitung...

Natürlich hatten die Vorfälle das Potenzial für einen handfesten Skandal. Die Medien überschlugen sich in ihrer Berichterstattung; der BVB musste den beiden Verletzten jeweils 500,- DM Schmerzensgeld  zahlen.

Der gebissene Schalker Spieler und spätere Trainer Friedel Rausch allerdings ging höchst entspannt mit der Situation um. Als ihn einige Zeit später Moderator Dieter Kürten im „Aktuellen Sportstudio“ fragte, was denn passiert wäre, wenn der Hund ihn von vorn gebissen hätte, konterte er schlagfertig: “Dann hätte er sich die Zähne ausgebissen!“

Ja, die Schalker.....

Das Spiel selber ging nach einer längeren Unterbrechung munter weiter. Es endete letztlich unentschieden 1:1. Den Ausgleichstreffer markierte Werner „Acker“ Weist in der 65. Spielminute. Weist, der später zum FC Schalke wechselte, war in der Saison 1969/70 mit 20 Toren nach dem „uneinholbaren“ Gerd Müller (38 Treffer) die Nr. 2 der Bundesliga-Torschützen.

Übrigens gab es  eine weitere Tierepisode beim Rückspiel Ende Januar 1970 in der Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn: Schalkeboss  Günter Siebert, ein Mann mit Gespür für öffentlichkeitswirksame Auftritte,  hatte beim Raubtierpark des Grafen Westerhold einige halbwüchsige Löwen „an Land gezogen“, die beim Einlaufen der beiden Teams „Spalier“ standen und wohl als eine Replik an das Ereignis des Hinspiels gedacht waren. Auch diese Partie endete unentschieden 1:1; das Tor für den BVB erzielte erneut „Acker“ Weist.

In der Saison-Endabrechnung landete der BVB auf dem fünften, der FC Schalke auf dem neunten Rang. Respektabel, aber nicht gerade überwältigend oder für die sportliche Ewigkeit bestimmt. Die legendären Hundebisse zu Dortmund hingegen aus dem September 1969 werden fraglos unvergesslich bleiben.

In den Jahren danach ging es mit dem BVB kontinuierlich bergab, bis man 1972 aus der Bundesliga abstieg. Auch die Rote Erde hatte in den Jahren seit 1926 arg „Staub angesetzt.“ Um die gröbsten Mängel zu kaschieren, hatte die Stadt auf der Ost- und auf der Südtribüne (über dem Marathontor) unansehnliche und letztlich auch bautechnisch bedenkliche Holztribünen gebaut. 1971 verhängte die Stadt als Bauordnungsbehörde gegen sich selber eine Ordnungsverfügung, in der auf die baulichen Mängel hingewiesen und der Abbruch gefordert wurde.

Gut, dass am 2. 4. 1974 das Westfalenstadion eröffnet wurde. Die Rote Erde wurde im Zuge des Neubaus zu einer modernen Leichtathletikanlage um- und ausgebaut.

In der Gegenwart nutzt die erfolgreiche 2. Mannschaft des BVB die „Kampfbahn“ für ihre Heimspiele in der dritten Bundesliga.

Schlussakkord: Heimstatt der Leichtathleten - Stelldichein der Weltklasse

 

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Programmheft für den Leichtathletik-Länderkampf gegen Finnland 1954

1938 führte der OSV Hörde, heute OSC Thier/LG Olympia Dortmund, in der Kampfbahn sein 1. Internationales Leichtathletik-Sportfest durch. Besondere Attraktionen waren die US-amerikanischen Stars, die – leider ohne den unvergleichlichen Jesse Owens – bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin brilliert hatten.  Nach dem 2. Weltkrieg, in den 1950er und 1960ern, kamen zu den legendären OSV-Sportfesten Asse wie Fanny Blankers-Coon, Betty Cuthbert, Shirley Strickland, Lee Calhoun, Martin Lauer, Manfred Germar, Ludwig Müller und Armin Hary.

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Autogramme der Stars des OSV-Sportfestes 1956. Oben links die Unterschrift von Dr. Karl Dickel vom DSC 95, der 1932 den Deutschen Rekord im Weitsprung aufgestellt hatte.

Nach dem Bau des Westfalenstadions für die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 zog der BVB in die neue Superarena um. Was lag also näher, als die Rote Erde in ein Leichtathletikstadion umzubauen. 1,5 Mio. DM flossen in die modernen Kunststoffanlagen und andere Verbesserungen mehr. Die Eröffnung wurde Pfingsten 1975 mit einem großen Internationalen Leichtathletik-Volksfest gefeiert.

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Und nochmals Autogramme. Diese Zusammenstellung stammt aus dem Jahre 1975. Auch dabei: Irena Szewinska, eine der besten Leichtathletinnen aller Zeiten.

An den Pfingsfeiertagen1975 und 1976 gaben sich große internationale Stars wie die mehrfache Olympiasiegerin Irena Szewinska, eine der bedeutendsten Leichathletinnen aller Zeiten, Mike Boit, Ulrike Meyfahrt, Ellen Mundinger, Silvia Hollmann, Annegret Richter, Inge Helten etc. ein Stelldichein. Die Traber-Truppe begab sich waghalsig in schwindelnder Höhe aufs Hochseil, Carmen Rischer turnte ihre Weltmeisterkür und ein Prominentenlauf über 3.000 m erfreute ebenso wie die Sprintstaffel mit dem BVB der damaligen Jahre.

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Frank Elstner (3. v. links) nahm 1975 am Prominentenlauf des Pfingstfestes in der Roten Erde teil.

Annegret Richter, die erfolgreichste Dortmunder Sportlerin aller Zeiten, bereitete sich in der „Roten Erde“ gemeinsam mit der ähnlich starken Inge Helten auf ihre Olympiasiege 1972 in München und 1976 in Montreal vor. Später kam die DLV-Gala.

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Annegret Richter, die erfolgreichste Dortmunder Sportlerin “ever”, bereitete sich mit OSC-Kollegin Inge Helten in der Roten Erde auf die Olympischen Spiele in Montreal vor.

Weltmeister Karsten Kobs glänzte im Hammerwurf, Tim Lobinger und Danny Ecker im Stabhochsprung, Xavier Sotomayor zeigte seine Hochsprungkünste und sein kubanischer Landsmann Iwan Petroso dokumentierte, wie toll man weitspringen kann.

Auch das Deutsche Turnfest und der Deutsche Evangelische Kirchentag Anfang der 1990er Jahre gehören in den Reigen der Spitzenereignisse dieser historischen Sportstätte namens Kampfbahn “Rote Erde”, der hoffentlich noch eine gute Zukunft beschieden sein möge!!!