Mehr als 20 übervolle Sonderzüge der Bahn fuhren am Sonntag, dem 19. Januar 1948,  allein von Gelsenkirchen nach Dortmund. Der Grund der modernen Völkerwanderung:  Borussia Dortmund, der amtierende Westfalenmeister, traf  im zweiten Rückrundenspiel der Premierensaison der Oberliga West 1947/48 auf den sechsmaligen Deutschen Meister Schalke 04. So eine Resonanz hatte es noch nie gegeben! Bereits in den Vormittagsstunden pilgerten Zig-Tausende Fußballfreunde  die Hohe Straße in Richtung Süden hinauf, um rechtzeitig zum Anpfiff um 15.00 Uhr in der legendären Kampfbahn „Rote Erde“ zu sein.

Einige Zeitungen schrieben von 50.000 Besuchern, andere von 45.000. Die Polizei legte sich letztlich auf 46.000 fest. Das war ein bis dato unfassbarer bundesweiter Besucherrekord für ein „normales“ Meisterschaftsspiel zweier Vereinsmannschaften.

Aber es ging ja auch um nicht mehr und nicht weniger als um die Vormachtstellung in der herausragenden Fußball-Region Westfalen, damals weit und breit das Maß aller fußballerischen Dinge. Schalke hatte vor dem Krieg alles souverän im Griff, nach 1945 meldeten die Borussen ihrerseits erfolgreich Ansprüche an, Westfalens Nr. 1 zu sein.

Aus heutiger Sicht muss der damalige Gang zum Stadion regelrecht gespenstisch anmuten: Die  Innenstadt war im Krieg zu 93% zerstört worden, in der Hohen Straße sah es ähnlich aus. Auch die Westfalenhalle lag noch in Trümmern.

Vor den Kassenhäuschen in der Strobelallee, damals noch „Grüner Weg,“ bildeten sich bis zu hundert Meter lange Schlangen, um die begehrten Eintrittskarten zu ergattern. Und dann ging`s ab ins Stadion, dessen Besucherränge ebenfalls noch die Spuren des Bombenhagels vom November 1944 aufwiesen.

Die Partie der Hinrunde war in Gelsenkirchen unentschieden1:1 ausgegangen. Die Knappen, gemeinsam mit dem BVB Favoriten auf die Westmeisterschaft, schwächelten in der ersten Halbserie. Der BVB hingegen war  mit den Sportfreunden aus Katernberg an der Spitze der Tabelle angesiedelt. Trotzdem waren die Borussen keineswegs favorisiert. Immerhin traten die Gäste mit ihren Cracks Szepan, Kuzorra, Burdenski, Bernie Klodt und Tibulski an. Im Tor stand als Nachfolger von Nationaltorhüter Hans Klodt ein gewisser Heinrich Kwiatkowski, der einige Jahre später den Weg zum BVB finden  und hier eine große Karriere mit zwei Deutschen Meistertiteln und dem  Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz absolvieren sollte.

Der BVB vertraute auf die Jungs, die 1947 Westfalenmeister geworden waren. Sie hatten sich mit Erich Schanko aus Bövinghausen klug verstärkt.

Wegen der Tribünenschäden mussten sich die Mannschaften im benachbarten Schwimmstadion Volkspark umkleiden und schritten dann durch ein vielköpfiges Spalier frenetisch jubelnder Anhänger durch das Marathontor der Roten Erde zum Anstoßpunkt.

Das Spiel hielt alles, was es versprochen hatte. Beide Teams zeigten eine erstklassige

Partie mit großen spielerischen Momenten. Schon bald erkämpften sich die Hausherren Vorteile, die sich allerdings noch nicht in zählbaren Torerfolgen ausdrückten.

Der BVB-Siegtreffer fiel kurz vor der Halbzeit und wird in einem damaligen Zeitungsbericht fast prosaisch wie folgt beschrieben:

„Und stets wechseln die aufregenden Bilder vor den Toren, bis in der 43. Spielminute Podgorski im Anschluss an die Abwehr eines Eckballs mit wunderbarem Torinstinkt weich und flach, an vielen Beinen vorbei, durch eine sich nur Sekunden öffnende Lücke den Ball im Schrägschuss in den unteren Torwinkel des Netzes lenkt.“

In der zweiten Halbzeit dominierte dann der BVB das Geschehen deutlich. Nur weitere Treffer fielen nicht. Im Gegenteil versiebte der ansonsten groß auftrumpfende BVB-Star August Lenz einen an Erdmann verschuldeten Fouelelfmeter. Gästetorhüter Heinrich Kwiatkowski lenkte mit einer tollen Robinsonade das Leder neben den Pfosten. Es blieb beim verdienten 1:0-Sieg der Borussen, die mit diesem Erfolg im Rücken die weitere Saison dominierten und 1948 zum ersten Westdeutschen Meister in der Geschichte der Oberliga West werden konnten.

BVB: Kronsbein; Halfen, Ruhmhofer; Michallek, Koschmieder, Schanko; Janowski, Preißler, Lenz, W. Erdmann, Podgorski.