1972 geschah etwas Unerhörtes! Der BVB stieg nach 36 Jahren in der jeweils ersten Spielklasse in die Zweitklassigkeit ab. Ursachenforschung der AG Tradition.

Der 15. April 1972 war für Borussia Dortmund der signifikante Vorbote einer Götterdämmerung wagnerscher Ausprägung: An diesem 28. Spieltag der Bundesligasaison 1971/72 unterlagen die Schwarz-Gelben auf dem Bökelberg mit 1:7 gegen die „kleine“ Borussia aus Mönchengladbach.

Zwar war der BVB bereits seit Anfang März Tabellenletzter, aber diese derbe Niederlage machte das ganze Desaster des Europapokalsiegers von 1966 deutlich, und auch notorischen Zweckopitimisten schwammen langsam die sprichwörtlichen Felle davon. Der BVB taumelte einem eigentlich für undenkbar gehaltenen Abstieg entgegen. Drei Tore hatte der alles überragende Günter Netzer beigesteuert, zwei le Fevre und jeweils eines Danner und Wimmer.  

Über allem schwebte die Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass das ehemalige Flaggschiff des deutschen Fußballs mit dem Kürzel BVB in diese Turbulenzen abgedriftet war?

Die Zeit des BVB zwischen 1966 und dem Abstieg im Juni 1972 ist spannend wie ein Krimi:

Am 5. Mai 1966 hatte Borussia Dortmund mit dem Sieg im Hampden Park zu Glasgow gegen den FC Liverpool als erster Club der Bundesrepublik einen Europapokal gewonnen. Das war der größte Erfolg bundesdeutscher Kicker nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 und wurde entsprechend gefeiert und bejubelt. Dem Triumph im Europapokalsieges wohnte allerdings bereits die „Saat des Misserfolgs“ inne. „Von nun an ging`s bergab,“ könnte man mit Hildegard Knef sagen..

Die erste negative Überraschung: Erfolgstrainer Willy „Fischken“ Multhaup verließ zum Ende der Saison 1965/66 den Borsigplatz in Richtung Köln. Sein Nachfolger Heinz Murach entpuppte sich als Fehlgriff! Er kam mit den Herren Tilkowski, Paul, Held, Emmerich und Co. absolut nicht klar.

Zwei Jahre später ging auch Präsident Willi Steegmann, beruflich Arbeitsdirektor bei Hoesch. Dr. Walter Kliemt von der VEW, sein Erbe, war ein Vorsitzender ohne Fortune. Das Vereinsschiff trudelte, mit seinen Trainer-Verpflichtungen hatte der BVB weiterhin kein Glück. Hinzu kam: Die alt-ehrwürdige Kampfbahn Rote Erde war absolut nicht mehr Bundesliga-tauglich - eine traurig anmutende Holztribüne im Osten, eine weitere im Süden - , für Klasse-Spieler fehlte das Geld.

1969 drohte bereits der Abstieg aus der Bundesliga. Erst im letzten Spiel gegen die Kickers aus Offenbach wurde mit einem3:0-Sieg der Klassenerhalt geschafft. Wegen finanzieller Nöte mussten Siggi Held und Willi Neuberger, die beiden besten Spieler des Teams, verkauft werden. Es war zum Haareraufen.

Zwar hatte die Stadt Dortmund im Oktober 1971 den kühnen Beschluss gefasst, das Westfalenstadion zu bauen; davon hatten aber die aktuellen Verantwortlichen des BVB um Präsident Dr. Kliemt herzlich wenig. Erst die Nachfolger profitierten von der neuen Superarena.

Die Spielzeit 1971/72 gehört zu den dunkelsten Kapiteln der BVB-Geschichte überhaupt. Im Kader standen nicht mehr arrivierte Kräfte wie Michallek, Preißler, Kwiatkowski oder Kelbassa in den meisterlichen 1950ern, nicht mehr Libuda, Wosab, Wessel, Redder oder Cyliax wie in den goldenen 1960ern, sondern Spieler wie Köstler, Sikora, Rieländer, Matthes, Wilheln, Andree, Hohnhausen und Mietz. Lediglich Rasovic, Kurrat und Peehs erinnerten in Ansätzen an bessere Zeiten, die aber weit, weit zurück zu liegen schienen.

Die gesamte Spielzeit 1971/72 hindurch hatte der BVB sein Knacken und etablierte sich - durch die letzten Jahre allerdings durchaus abstiegserprobt - auf den Rängen zwischen 13 und 15. Ende November 1971 gab es dann in München gegen die mittlerweile übermächtigen Bayern die bis dato höchste BVB-Niederlage der Bundesliga. 11:1 gewannen die Beckenbauer und Co., wobei allein Gerd Müller, der legendäre „Bomber der Nation,“ vier Treffer erzielte.

In den Wochen danach schien sich der BVB zumindest mental ein wenig von dieser Klatsche erholt zu haben. Doch dann folgte der 15. April 1972 und damit ein zweiter sportlicher Absturz, der für die letzten sechs Spiele der Saison nichts Gutes verhieß...

(Fortsetzung folgt)